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Honorare für Mehrfachbeauftragung: WDR bricht Verhandlungen ab

22. Oktober 2021, Volkmar Kah

Es gibt einen alten Spruch: „Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“ Vor mehr als drei Jahren haben sich Gewerkschaften und der WDR darauf verständigt, gemeinsam über neue, zukunftsweisende sowie für alle Seiten tragbare Honorar- und Arbeitsmodelle für feste Freie im WDR zu verhandeln. Sogar ein Letter of Intent wurde Anfang 2019 unterschrieben. Drei Jahre und einige erfolgreiche Projekte später sind die Gespräche abgebrochen, Modellprojekte laufen aus. Insbesondere im Bereich Online, aber auch im Newsroom herrscht Wildwest statt geordneter tariflicher Verhältnisse. Was ist passiert?

Das Vertrauen verdienen

Bereits seit Monaten hatten DJV und ver.di in den regelmäßig stattfindenden Gesprächsrunden gewarnt: Wenn man gemeinsam neue Modelle umsetzen will, die den Mitarbeitenden angesichts der anstehenden Umstrukturierungen auch einiges abverlangen werden, dann muss der WDR dafür auch etwas anbieten. Vor allem aber muss er sich durch Tariftreue und Verlässlichkeit das Vertrauen der Freien verdienen und erhalten. Und genau hier lag das Problem, machte das Haus doch an fast jeder Stelle den Eindruck, mit allen Tricks auch noch den letzten Cent sparen zu wollen. Ob es um die Live-Schalten im Regionalen ging, den Eigenproduktionszuschlag für NaMis (Nachrichtenminuten), die Kameramiete oder die Bezahlung „programmbegleitender“ Internetangebote im Newsroom – die Beschwerden bei Personalrat und Gewerkschaften häuften sich.

Volkmar Kah im Juli 2019 beim WDR-Warnstreik in Köln. | Foto: Corinna Blümel
Volkmar Kah im Juli 2019 beim WDR-Warnstreik in Köln. | Foto: Corinna Blümel

Leider schenkte der Arbeitgeber unseren Einwänden in den Verhandlungen kein Gehör. Ganz im Gegenteil: In der letzten Sitzung, bevor das testweise in den Leuchttürmen und im Newsroom eingeführte Rabattmodell „Mehrfachbeauftragung“ auslief, legte der WDR nach. Während aus Sicht der Gewerkschaften bei einer Ausweitung dieses Modells auf den gesamten WDR Kompensationen dringend erforderlich wären, zauberte der Sender im Wortsinne in letzter Minute weitergehende Rabattforderungen aus dem Hut. Es kam, wie es kommen musste: In einer Befragung der Mitglieder beider Gewerkschaften erteilten die einer solchen Ausweitung der Mehrfachbeauftragung eine Absage.

Und der WDR? Der zeigt sich überrascht und enttäuscht, sagt kurzerhand alle Gespräche zu den weiteren Zukunftsthemen ab und stellt (noch) durch die Blume sämtliche Honorarrahmen für die im kommenden Jahr anstehenden Tarifverhandlungen in Frage. Dabei wird deutlich, dass es dem Sender nicht in erster Linie um neue Modelle geht, sondern um Einsparungen – vor allem bei den tagesaktuellen Fernsehhonoraren. Neue nicht-lineare Formate sollen dadurch refinanziert werden, dass aktuelle Honorare deutlich abgesenkt werden. Auch das Prinzip der werksbezogenen Bezahlung will der Sender zugunsten von pauschal bezahlten Diensten zurückdrängen.

„Mehr Arbeit für weniger Geld“

Und was haben die Freien davon? Im Zweifel „mehr Arbeit für weniger Geld“, wie es Hörfunkdirektorin Valerie Weber kürzlich öffentlich formulierte. Wenigstens ehrlich. Aber wer als Auftraggeber dieses Ziel formuliert, muss sich im Zweifel darüber im Klaren sein, dass ihm insbesondere die Leistungsträgerinnen und -träger unter den Freien den Rücken kehren werden. Oder der Arbeitgeber muss ihnen etwas bieten. Wertschätzung wäre da sicherlich ein Anfang, wie es auch im Kulturwandel-Prozess immer wieder gefordert wird (siehe auch Seite 25).

Tatsächlich gibt es unter den freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viele, die bereit wären, über Synergien und Umschichtungen nachzudenken. Wenn, ja wenn sie das Gefühl hätten, dass sie ihrem WDR etwas wert sind.

Genau dafür wird sich der DJV auch weiterhin einsetzen. Es geht sicher nicht darum, dass alles bleibt, wie es ist. Denn damit würden der öffentlich-rechtliche Rundfunk und der WDR sich selbst abschaffen. Aber es geht um faire Übergangslösungen, um Perspektiven und um Sicherheit. Gemeinsam mit den Aktiven im Betrieb entwickeln die Gremien des DJV dafür gerade eigene Ideen. Und wir reden auch weiter mit dem WDR, über Themen wie mobiles Arbeiten, aber auch über alle anderen Fragen. Aber wir bereiten uns auch auf eine harte Auseinandersetzung im kommenden Jahr vor – im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fest und frei, aber am Ende auch im Interesse aller Zuschauerinnen und Zuhörer.||

Volkmar Kah ist Geschäftsführer des DJV-NRW und Verhandlungsführer des DJV bei den Tarifverhandlungen im WDR.

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 5/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2021.