JOURNALISTENTAG

Jeder soll bei seinem Leisten bleiben

Diskussion zu Pressestellen-Newsdesks
16. Dezember 2019, Uwe Tonscheidt

Das Forum „Von der Pressestelle zum Newsdesk: Chancen, Grenzen, Rollenkonflikte“, das der DJV-NRW-Fachausausschuss Presse- und Öffentlichkeitsarbeit präsentiert, ist dank einer Entscheidung des Landgerichts Dortmund hochaktuell. Danach verstieß es gegen das Grundgesetz, dass städtische Reporterinnen und Reporter 2017 über Dortmunder Veranstaltungen berichtet hatten. Damit bekam der Dortmunder Tageszeitungsverlag Lensing Wolff (Ruhr Nachrichten) als Kläger Recht (siehe auch „Pressesubstituierender Gesamtcharakter“: Gericht gibt Lensing Recht).

Moderator Daniel Rustemeyer nutzt die Steilvorlage zum Einstieg. „Wie bewerten Sie das Urteil des Landgerichts Dortmund?“, will er von Matthias Langrock wissen. Der CvD der Ruhr Nachrichten sagt. „Wir fühlen uns natürlich bestärkt, dass es nicht Aufgabe der öffentlichen Hand ist, Tätigkeiten zu übernehmen, die wir auch übernehmen können.“ Die Stadt solle eben nicht über Dinge wie eine BVB-Meister- oder Pokalfeier berichten. Man wolle das Thema aber auch nicht so hoch hängen, erklärt Langrock und stellt klar: „Wir haben nichts dagegen, wenn die städtische Pressestelle die Arbeit der Stadt darstellt.“

Hochaktuell die Diskussion zum Streit um kommunale Newsrooms mit (v.l.) Matthias Langrock, Thomas Sprenger, Daniel Rustemeyer und Prof. Dr. Wiebke Möhring. | Foto: Udo Geisler
Hochaktuell die Diskussion zum Streit um kommunale Newsrooms mit (v.l.) Matthias Langrock, Thomas Sprenger, Daniel Rustemeyer und Prof. Dr. Wiebke Möhring. | Foto: Udo Geisler

Auch eine Botschaft für die Medien

Das ist heute für eine Stadt absolut notwendig, macht Thomas Sprenger deutlich, CvD am Newsdesk der Stadt Bochum: Weil viele Menschen – anders als vor 15 Jahren – kein Zeitungsabo mehr hätten, müsse eine Kommune heute die Kanäle bedienen, die Bürgerinnen und Bürger nutzten, etwa Twitter, Facebook und Instagram. In dem Dortmunder Urteil steckt die Botschaft: „Schuster, bleib‘ bei
deinem Leisten“, und damit hat Sprenger keine Probleme: Zum örtlichen Journalismus wolle man keine Konkurrenz sein. Dem Richterspruch entnimmt er allerdings nicht nur eine Botschaft an Kommunen und andere öffentliche Akteure. „Es ist auch eine Aufforderung an Medien: Komm deiner Verantwortung nach und berichte auch über das städtische Leben!“, sagt der Bochumer Desk-Chef und erntet Beifall.

Langrock sieht sich aus dem Publikum mit der Kritik konfrontiert, in der Einzeitungslandschaft seien Tageszeitungen zu wenig bei Terminen präsent. Der Dortmunder Zeitungsmann hält dagegen: „Wir berichten über alles, was wirklich relevant ist für die Menschen.“ Es sei allerdings nicht machbar, alle Termine zu besetzen, „dann kommen wir nicht mehr zum Recherchieren.“ Dazu gehöre heute auch, dass die Redaktion durch die digitalen Kanäle wisse, „was die Leute wirklich interessiert“.

An die oft beklagten „weißen Flecken in der Medienlandschaft“ glaubt Langrock nicht. Das aber werde von vielen so empfunden, etwa von lokalen Vereinen und Verbänden, berichtet ein Kollege aus dem Publikum und verweist auf die Bedeutung der „gefühlten Präsenz“. Auch Prof. Dr. Wiebke Möhring vom Journalistik-Institut der TU Dortmund stellt mit Blick in den Medienmarkt fest: „Leider hinterlässt die klassische Medienberichterstattung Lücken.“ Das könne auch Folgen für die Demokratie haben. Hinsichtlich der Newsdesk-Aktivitäten in der Öffentlichkeitsarbeit räumt die Journalismusforscherin ein: „Ich bin da zwiegespalten.“ Neue Kommunikatoren seien gut, „um die Lücken zu füllen“. Sie bedauere aber, „wenn es Kommunikatoren sind, für die nicht mehr die Unabhängigkeit der Berichterstattung an oberster Stelle steht“, wie es bei Pressestellen anzunehmen sei.

Am Beispiel einer Klimaschutzkampagne zeigt Thomas Sprenger für Bochum auf, dass Pressestellen die Bürgerinnen und Bürger mit digitalen Mitteln kontinuierlicher über einzelne Themen informieren können als klassische lokale Medien. Die Kampagne habe man natürlich klassisch mit einem Pressetermin begonnen. Über den Auftakt hätten Lokalredaktion und Radio auch berichtet, aber dort sei das Thema dann erledigt. Anders in den digitalen Kanälen der städtischen Pressestelle, wo eine solche Kampagne mit zahlreichen Beispielen als Thema erhalten bleibe. „Das ist unsere Aufgabe, das ist unsere Qualität“, sagt Sprenger und weist auf professionell ausgebildete Journalistinnen und Journalisten in der Öffentlichkeitsarbeit hin. Nicht selten sind es ehemalige Tageszeitungsredakteurinnen und -redakteure.||

 

Ein Beitrag in Ergänzung zu JOURNAL 6/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2019.