Second-Hand kommt im Bergischen Land nicht so gut an wie anderswo, die Stadt Remscheid unterscheidet Nachhaltigkeit von Umweltschutz, und in Solingen werden Lebensmitteln bewusst anders gerettet als in den Nachbarstädten. Das sind Erkenntnisse aus unseren Recherchen zur Serie „Natürlich nachhaltig“ .
Wir, das sind Kathi, Alexandra und Valeria, junge Journalistinnen vom Solinger Tageblatt und Remscheider General- Anzeiger der B. Boll Mediengruppe.
Ernährung, Konsum, Mobilität
Zusammen haben wir die Serie als Volontärs-Projekt ins Leben gerufen, in der sich alles um Nachhaltigkeit in Remscheid, Solingen und im Bergischen Land dreht mit einem Schwerpunkt auf Ernährung, Konsum und Mobilität. Darunter fallen Themen wie veganes Kochen, Foodsharing und -saving, Second-Hand-Kleidung, Müll, E-Scooter sowiebatteriebetriebene Oberleitungsbusse. Wichtige globale Themen bekommen so eine Bedeutung im Lokalen.
Volo-Campus
Die Idee zur Serie entstand im März 2021 mit einer losen Themensammlung, weil wir im Rahmen des Volontariats etwas Eigenes auf die Beine stellen wollten. Von da an lief die Vorbereitung mit der konkreten Themensuche, der Namensfindung und Absprachen innerhalb der Redaktion. Diese hat uns besonders bei Themenfindung und Eingrenzung unterstützt, da es dort 2020 eine ähnliche Idee gab, die aber nie umgesetzt wurde. Aus der großen Ideensammlung wählten wir 21 Themen aus. Da manches zu komplex für einen einzelnen Beitrag war, erschienen am Ende mehr als 30 Teile in jeder der beiden Ausgaben.
Immer stand dabei ein Gedanke zentral im Vordergrund: Wir stellen regionale Projekte vor und zeigen dem Leser oder der Leserin, wie er oder sie das Leben im Bergischen Land nachhaltiger und ökologischer gestalten kann.
Erschwerte Arbeitsbedingungen
Coronapandemie und Homeoffice erschwerten schnelle Absprachen: Möglich waren sie nur über Teams und über Dokumente, in denen wir Themen, Erscheinungsreihenfolge und Termine mit Ansprechpartnerinnen und -partner sortierten. Obwohl die Themen im März feststanden, konnte die Serie erst im Herbst starten.
Im August haben wir damit begonnen, Texte vorzuproduzieren, Termine auszumachen und die ersten Zeilen zu schreiben, Mitte September sind dann die ersten drei Folgen online gegangen, und Ende September erschien der erste Printtext im Solinger Tageblatt und im Remscheider General-Anzeiger. Ende Februar erschien dann jeweils der letzte Serientext. Dazwischen haben wir – neben dem Tagesgeschäft in der Redaktion – weitere Texte fertiggestellt, die ein- bis zweimal pro Woche in Print und Online erschienen, neue Themenideen gewonnen und weiter recherchiert.
Die Serie setzte auf wechselnde Formate wie Berichte, Interviews, Reportagen und Podcasts sowie eine Mischung der Themenfelder Ernährung, Konsum und Mobilität, um verschiedene Interessen anzusprechen. Dabei wollten wir möglichst multimedial arbeiten, um Onlineleserinnen und -lesern zusätzlichen Content zu bieten. So sind mithilfe unseres Fotografen zwei Videos über einen Biobauernhof und eine Müllverbrennungsanlage entstanden.
Zugleich wollten wir Leserinnen und Lesern die Chance bieten, uns als Macherinnen der Serie kennenzulernen. Dafür haben wir nicht nur unseren persönlichen ökologischen Fußabdruck berechnet, sondern uns auch an Selbstversuche gewagt – eine Woche Radfahren, eine Woche ohne Plastik, eine Woche vegane Ernährung.
Nicht alles lässt sich realisieren
Aber was ist wirklich nachhaltig und kann mit einem lokalen Bezug versehen werden? Es war nicht immer einfach, das Globale auf die lokale Ebene herunterzubrechen. Beispielsweise ließ sich das Thema nachhaltiger Tourismus nicht lokal realisieren. Auch die Aktualität des Lokaljournalismus hat einige Pläne durcheinandergeworfen, sodass wir teilweise bereits produzierte Texte neu recherchieren mussten. Aufgrund von Platzvorgaben mussten wir komplexe Sachverhalte für Print kürzen, Online konnten sie in voller Länge erscheinen.
Um bei den Onlineleserinnen und -lesern eine Art Binge-Reading auszulösen, veröffentlichten wir zwei Texte online, ehe sie in der Zeitung erschienen. Das war jedoch mit erhöhtem Aufwand verbunden und wurde nur wenig angenommen, weshalb wir diese Idee schnell wieder aufgaben.
Gelernt: Mehr Tipps
Ideen zugeliefert
Die Texte, die online gute Klickzahlen verzeichnen, handeln von Second-Hand-Shops, einem Metzger, der über bewussten Fleischkonsum und die Zukunft von Fleisch aus dem Labor spricht, von Biobauern in der Umgebung und Unverpackt-Läden. Viele Rückmeldungen gab es nicht, vereinzelt meldeten sich jedoch Leser und Leserinnen mit Berührungspunkten zu weiteren lokalen nachhaltigen Projekten. So kamen entgegen der ursprünglichen Planung weitere Themen dazu. Ansprechpartnerinnen und -partner freuten sich, dass ihr Thema aufgegriffen wurde und sie zu Wort kamen.
Auf Facebook wurde uns zu Beginn der Serie unsere Expertise aufgrund unseres jungen Alters abgesprochen. Dennoch zeigte sich: Wir konnten mit unseren Themen einige Online-Abos generieren.
Sehr positive Resonanz wurde uns und unserer Serie beim ersten digitalen Bergischen Medienabend entgegengebracht, den der Bergische Journalisten-Verein auf die Beine stellte, um die Serie als Pilotprojekt für lokalen Nachhaltigkeitsjournalismus vorzustellen (siehe Lokal Hinschauen. Erster Bergischer Medienabend zu Klima- und Umweltjournalismus). Hier konnten wir uns mit Medienschaffenden, Expertinnen und Experten sowie Interessierten über Nachhaltigkeit und Klimajournalismus im Lokalen austauschen.
Im Anschluss meldete sich ein Journalist, der das Thema in anderen Verlagen etablieren will. Auch die Bergische Universität Wuppertal kam auf uns zu, um eine Kooperation über die Social-Media-Kanäle der Universität zu gestalten. Die Resonanz auf unsere Serie während des Abends hat uns bestätigt: Klima- und Nachhaltigkeitsjournalismus lohnt sich, anzugehen.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2022.