VERBANDSTAG |

Verbandstag mit „Extras“

Die Delegierten tagten Anfang November in Magdeburg
29. Dezember 2023, Corinna Blümel
Der scheidende Vorsitzende Frank Überall und der designierte Nachfolger Mika Beuster warten auf das Wahlergebnis. Hinter ihnen sitzen Delegierte, vor ihnen stehen Kolleginnen und Kollegen mit Kamera.
Unter Beobachtung: Der scheidende Vorsitzende Frank Überall (r.) wartet mit seinem Nachfolger Mika Beuster auf das Wahlergebnis.| Foto: Arne Pöhnert

Ein neuer Vorsitzender mit teils neuem Vorstandsteam, kurze Reden, eine konzentrierte, sachorientierte Antragsdebatte, dazu ergänzender Input in Form kleiner Podien: Das war der dreitägige Verbandstag Anfang November in Magdeburg.

Der scheidende Vorsitzende Frank Überall blickte auf seine zwölf Jahre im Bundesvorstand zurück, davon vier als Schatzmeister, ehe er an die Spitze wechselte (siehe dazu auch Interview „Ein lebendiges Biotop“). Er verwies auf den Kampf um Arbeitsbedingungen, um anständige Tarife und Honorare, aber auch auf die wachsende Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten und die Rückstufung Deutschlands im Ranking der Pressefreiheit. Der DJV müsse „gut organisiert und öffentlich wahrnehmbar“ sein, um professionell und wirkungsvoll für die Interessen des Berufs einzustehen. „Ich denke, es ist gelungen, uns in Medien und Politik entsprechend zu positionieren“, zog der Kölner für sich Bilanz und empfahl seinen bisherigen Stellvertreter Mika Beuster als Nachfolger. „Bitte schenkt ihm euer Vertrauen!“

Zwei NRW-Frauen im Vorstand

Das taten die Delegierten: Der Lokalreporter Beuster aus dem Landesverband Hessen konnte rund 93 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Als Stellvertreterin wurde die freie Journalistin Anne Webert aus Bayern im Amt bestätigt. Zweite stellvertretende Vorsitzende ist die bisherige Beisitzerin und freie Journalistin Mariana Friedrich aus Thüringen. Katrin Kroemer aus NRW wurde als Schatzmeisterin wiedergewählt. Die Dortmunderin arbeitet unter anderem für ein Magazin und als Öffentlichkeitsarbeiterin.

Drei Mitglieder des neu gewählten Vorstands sitzen auf dem Podium.
Mit Beisitzerin Ute Korinth (Mitte) und Schatzmeisterin Katrin Kroemer sitzen zwei NRW-Frauen im neuen Vorstand. Links Beisitzer Jonathan Janoschka. | Foto: Frank Sonnenberg

Der Landesverband NRW ist mit einer zweiten Frau im neuen Bundesvorstand vertreten: Bei der Wahl um die Beisitzendenposten setzte sich Ute Korinth mit der höchsten Stimmenzahl durch. Die Dortmunder Journalistin und PR-Frau ist vielen als Vorsitzende des Bundes-Fachausschusses Online und als Organisatorin des DJV-Kongresses „Besser Online“ bekannt. Zweiter Neuzugang als Beisitzer ist der Rundfunkjournalist Jonathan Janoschka aus dem Saarland. Der Berliner Zeitungsredakteur Philipp Blanke wurde als Beisitzer bestätigt.

Absicherung für Feste und Freie

Auch in der Antragsdebatte meldete sich NRW immer wieder prominent zu Wort. Ein Schwerpunkt lag in Magdeburg auf Tarifen und Honoraren sowie der Absicherung von Freien: Dabei ging es unter anderem um die Stärkung der Tarifbindung, um die Forderung nach einem allgemeinverbindlichen Ausbildungstarifvertrag in den Medienunternehmen in Deutschland und um die Bezahlung von Praktika und Hospitanzen in Medienhäusern. Beauftragt wurde ein digitaler Vergütungskatalog für freie journalistische Tätigkeiten, der Kolleginnen und Kollegen eine aktuelle Orientierung für wirtschaftliches Arbeiten bieten soll und bei Gerichtsverhandlungen auch als Orientierung dienen kann.

Der NRW-Antrag zur Versicherung arbeitnehmerähnlich Beschäftigter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde mit großer Mehrheit verabschiedet: Danach wird sich der DJV beim Bundesgesetzgeber dafür einsetzen, dass es arbeitnehmerähnlichen Freien bei den Öffentlich-Rechtlichen trotz unständiger Beschäftigung möglich ist, durchgehend in den Sozialversicherungen abgesichert zu werden.

DJV-NRW-Vorsitzende Andrea Hansen am Mirofon.
Antragsdebatte mit NRW-Beteiligung,
hier am Mikro die Landesvorsitzende Andrea Hansen. | Foto: Frank Sonnenberg

Zwei Anträge zusammengebracht

Eine längere Diskussion inklusive Unterbrechung und „Redaktionskonferenz“ im kleinen Kreis erforderte dagegen das Thema Journalismusförderung, das nach Vorstellung des DJV eben keine Zustellförderung für bedrucktes Papier sein soll. Hier galt es zwei Anträge zusammenzuführen: Der des DJV-NRW hatte eine deutlich konkretere Zielrichtung als der aus dem Bundesvorstand. In der schließlich verabschiedeten Fassung (siehe Kasten „Journalismusförderung“) fanden sich alle konkreten Punkte, die den NRW-Delegierten wichtig waren. Zwei Wochen nach dem Verbandstag war allerdings klar, dass der Bundeshaushalt vorerst keine Förderung – in welcher Ausgestaltung auch immer – hergeben wird.

Journalismusförderung
„Der DJV-Verbandstag fordert die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesländer auf, eine staatsfern organisierte Journalismusförderung einzurichten. Diese Förderung zielt auf die Schaffung und den Erhalt journalistischer Arbeitsplätze, auch in ländlichen Regionen, ab. Die Förderung soll von der Einhaltung bestimmter Vorgaben, die auf die Förderung von Journalismus abzielen, abhängen. Dazu zählen Vorgaben wie
– die Einhaltung quantitativer Standards bei der personellen Ausstattung von ­Redaktionen,
– qualitativ-inhaltliche Kriterien,
– die Tarifbindung und
– die Einhaltung angemessener Hono­rare.
Die Förderung umfasst alle förderrelevanten journalistischen Bereiche, schöpft alle Fördermechanismen – ­sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene – aus und beinhaltet neben kurzfristigen mittel- und langfristige Ansätze. Neue journalistische Formen und Gründungen dürfen nicht benachteiligt werden.“

In weiteren Beschlüssen sprach sich der Verbandstag unter anderem dafür aus, den Pressekodex um Richtlinien zu den Feldern Wissenschafts- und Medizinberichterstattung zu erweitern und mit ausländischen Partnerorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeiten eines Austauschprogramms für junge Journalistinnen und Journalisten auszuloten. Die Delegierten forderten Medienhäuser, Verlage, Pressestellen, Redaktionen sowie öffentlich-rechtliche wie private Sender dazu auf, ihren Mitarbeitenden das Gendern in journalistischen Beiträgen zu ermöglichen. Inhaltlich wie formell müssten Journalistinnen und Journalisten bei ihrer täglichen Arbeit vor jeglichen einschränkenden Vorgaben – insbesondere aus der Politik – geschützt werden.

Ergänzende Diskussionen

Die große Zeitersparnis bei den digitalen Wahlen und das schlanke Antragspaket gab den Raum, sich mit weiteren wichtigen Themen der Branche auseinanderzusetzen. Zum Einstieg gab es ein medienpolitisches Gespräch zwischen Frank Überall und Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt. Robra bekannte sich zwar zur Bedeutung der Öffentlich-Rechtlichen, aber verwies darauf, dass ein höherer Rundfunkbeitrag in den Länderparlamenten derzeit schwer durchsetzbar sei. Die Politik beschädige das KEF-Verfahren zur Festlegung der Beiträge, hielten Überall und die Delegierten in der Diskussion dagegen. Robra sprach sich dafür aus, die letzte Stufe des Verfahrens politikfern zu gestalten. Bisher müssen die Länderparlamente der KEF-Empfehlung zustimmen.

Eine weitere Diskussion drehte sich um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Redaktionen. Der freie Journalist und Dozent Oskar Vitlif erläuterte, wie KI zur Unterstützung genutzt werden kann. DJV-Justiziarin Hanna Möllers klärte über die rechtlichen Aspekte auf.

Das allgegenwärtige Thema Bedrohung

Um die Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten vor allem bei lokaler Berichterstattung ging es auf dem Panel von Moderatorin Heidje Beutel, Vorsitzende des DJV Thüringen, mit der freien Journalistin Jana Merkel, dem Geschäftsführer des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF), Dr. Lutz Kinkel, und Jan Hollitzer, Chefredakteur der Thüringer Allgemeine.

Bedrohungen von Medienschaffenden in internationalen Kriegs- und Krisengebieten beleuchtete das Grußwort von Maja Sever, der Präsidentin der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF), die angesichts vieler getöteter Kolleginnen und Kollegen deutlich machte, dass „Presse“-Westen einen Schutz darstellen sollen – „nicht Ziele markieren“. EJF-Kollegin Renate Schröder beklagte, dass der Wert des Journalismus als öffentliches Gut zwar inzwischen von EU-Institutionen gesehen werde, aber gesetzgeberisch fehle noch „der große Wurf“.

Ganz so viele „Extras“ wird der Verbandstag im kommenden Jahr vermutlich nicht bieten. Weil 2024 keine Vorstandswahlen stattfinden, tagen die Delegierten in Ingolstadt wieder zweitägig.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2023.