Immer gleich ist der Tod des Mediums

Zeitungsdesigner Hans Peter Janisch zu den Folgen der „Online-first“-Strategie
20. Februar 2019, Werner Hinse
Hans Peter Janisc | Foto: Dirk Eisermann
Hans Peter Janisc | Foto: Dirk Eisermann

Hans Peter Janisch ist freischaffender Zeitungsdesigner und Berater der Medienbranche. Seit drei Jahrzehnten gestaltet er existierende Publikationen neu, baut mit an der Optik neuer Objekte und berät Verlage in aller Welt bei ihrem visuellen Auftritt. Und zwar nicht nur wie jüngst beim mehrfach preisgekrönten Neuauftritt der luxemburgischen Wochenzeitung Le Jeudi in Mitteleuropa, sondern auch in vielen Ländern der Erde. Janisch hält Vorlesungen und Seminare und ist seit vielen Jahren für die Weltorganisation des Zeitungswesens, die WAN-IFRA, im Einsatz.

JOURNAL: Hans Peter Janisch, „Online first“ ist zum Grundprinzip der Medienbranche geworden. Welche konkreten Folgen hatte das für die Gestaltung von Tageszeitung, Onlineauf-tritt und Apps?

Hans Peter Janisch: Während Online-Auftritte und Apps den stetig wechselnden Nachrichtenstrom auch visuell reflektieren, haben sich Printprodukte „in die Tiefe” entwickelt. Die Nachricht ist nur noch bedingt ein Printmedium, sie findet immer öfter ausschließlich im Netz statt. Hintergrund und Analyse können die Stärke des gedruckten Mediums zeigen. Sie werden natürlich auch anders gestaltet. Gut strukturierte längere und vor allem eigene Texte sind heute häufiger zu finden als noch vor zehn Jahren. Die Zeitung entwickelt sich inhaltlich und visuell zu einem täglichen Magazin.

JOURNAL: Wie haben sich im Laufe der vergangenen 25 Jahre die Onlineauftritte verändert, wenn sie die zentrale Rolle im Nachrichtengeschäft bekommen haben?

Janisch: Die Gestaltung von Onlineauftritten war und ist technikgetrieben. Durch die Optimierung der Gestaltungsmöglichkeiten in den aktuellen html-Versionen ist viel Bewegung in die Seitengestaltung gekommen. Zum Beispiel: Typografische Individualität anstelle von Arial und Times. Ähnlich zu bewerten ist der Einsatz des „responsiven“ Designs für die unterschiedlichen Plattformen: Die statische Website ist de facto tot, Variabilität in Layout und Struktur sorgen für eine Anpassung an alle Bildschirmgrößen. Durch diese technischen Optimierungen konnten auch inhaltliche Veränderungen realisiert werden. Dem Medium entsprechend finden wir heute Videos, Bildergalerien und Multimedia-Projekte, die vor zehn Jahren technisch noch nicht möglich gewesen wären. Die meisten Nachrichtenseiten sind heute dem Medium entsprechend weitaus mehr als eine digitale Zeitung.

JOURNAL: Die Tageszeitung hat ihre zentrale Rolle verloren. Welche Elemente der journalistischen Produktion sind denn in den täglichen Printobjekten der Verlage in den Vordergrund gerückt?

Janisch: Die Nachricht hat eigentlich nur noch im lokalen Teil und im Sport eine Bedeutung. In allen anderen Ressorts sind Reportage, Hintergrund, Meinung und Analyse mehr denn je gefragt. Dies geht einher mit einer Verlagerung der Inhalte. Unterhaltung, Lebenshilfe und Ratgeber sind unverzichtbar geworden und werden in großen Reportagen und Themenwelten täglich gespielt. Viele dieser klassischen Formen leben von der eigenen journalistischen Leistung, die auch durch deutliche Autorennennungen gewürdigt wird.

JOURNAL: Herr Janisch, Sie gestalten das komplette Spektrum an Printobjekten – von Tageszeitungen über Anzeigenblätter, Mitgliederzeitungen für Print und Online bis hin zu Apps. Wohin geht inhaltlich der Trend: Immer weniger Text, immer mehr Fotos?

Janisch: Wenn es einen Trend gibt, dann den zu komplexeren Erzählformen. Noch vor kurzer Zeit wurde der lange Text für tot erklärt, heute finden wir lange, gute Textstücke in allen Printprodukten und als Long-Story-Form natürlich auch im Web.

Diese Texte müssen aber gut strukturiert werden und sind in vielen Fällen von Alternative-Story-Forms ergänzt. Wir versuchen heute eine Vielzahl von Einstiegstoren zu schaffen. Die Botschaft nur über den Text zu kommunizieren ist sicher nicht zukunftsfähig. Diese Erzählformen schöpfen die gesamte Bandbreite journalistischer Möglichkeiten aus, reichen von der Zeitleiste zu den drei Fragen bis hin zur Grafik.

Große Bilder sind gut und auch wichtig, sind aber kein Allheilmittel, durch das die Zeitung zum Magazin wird. Viel wichtiger ist die abwechslungsreiche Präsentation der Themen.Wir müssen täglich überraschen, immer gleiche Erscheinung ist der Tod des Mediums.

Werner Hinse und Hans Peter Janisch bilden regelmäßig Volontäre im Journalistenzentrum Haus Busch in Hagen aus.

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 1/19 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2019.