Manche sagen, Programme, die wie ChatGTP auf künstlicher Intelligenz (KI) beruhen, werden die Medienlandschaft verändern. Andere halten die Informationen, die diese Programme ausspucken, für so schlecht, dass sie sich keine Sorgen um ihren Job machen. Getreu dem Motto „Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen“, habe ich mir selbst ein Bild von den Tools gemacht.
Ignorieren hilft nicht
Man muss Veränderungen nicht gut finden. Aber auf keinen Fall sollte man sie einfach ignorieren. Denn Neues verschwindet nicht einfach wieder, nur weil man nicht hinschaut. Weil über ChatGPT seit Wochen in den Medien berichtet wird, habe ich mich Mitte Februar dort registriert. Das geht einfach, allerdings muss man Mailadresse und Telefonnummer angeben, und es gibt im Prinzip keinen Datenschutz. Unter Umständen dauert es einige Tage, sich zu registrieren, denn der Andrang ist groß und das System oft an seinen Grenzen.
ChatGPT und Alternativen
OpenAI wurde 2015 von Sam Altman und Elon Musk gegründet. 2023 ist Microsoft als Geldgeber bei OpenAI eingestiegen. Bisher enthält ChatGPT noch nicht alle Informationen aus dem Internet. Das könnte sich mit einer weiterentwickelten Version in der Zukunft ändern. Registrierung: https://openai.com/blog/chatgpt/
Wer Apple nutzt, kann alternativ oder zusätzlich die App Poe installieren (ebenfalls unter Angabe von Mailadresse und Telefonnummer). In dieser App hat man die KI-Bots Dragonfly, Sage und Claude zur Auswahl. Die beiden ersten kommen wie ChatGPT von OpenAI. Der Konzern Alphabet arbeitet an einer eigenen KI, die Bard heißt. Ob sie in die hauseigene Suchmaschine Google eingebunden werden soll, steht bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Das war zwar geplant, ist derzeit aber nicht sicher, weil die KI zuletzt zu viele Fehler gemacht hat. Microsoft dagegen hat ChatGPT in der Zwischenzeit bei Bing eingebunden (siehe Kasten „ChatGPT in Bing nutzen“).
Nach der Registrierung erscheint ein Eingabefeld, zusammen mit dem Hinweis, dass ChatGPT nicht viel von dem weiß, was im Internet nach 2021 veröffentlicht wurde (siehe Screenshot unten). Denn die KI wurde im Wesentlichen mit älteren Informationen trainiert. Wer jetzt beginnt, wie bei Google nach Fakten zu suchen, verpasst nicht nur das Interessanteste, sondern könnte auch schnell auf Fehler stoßen. Denn faktentreu sind die KI-Bots (noch) nicht immer.
ChatGPT in Bing nutzen
Wer die KI von ChatGPT nutzen möchte, muss sich jetzt nicht mehr zwingend auf der Internetseite von OpenAI anmelden. Denn die KI ist in der Zwischenzeit auch in die Suchmaschine Bing integriert. Diese gehört zu Microsoft, und das Unternehmen ist derzeit einer der größten Geldgeber von ChatGPT. Allerdings ist die KI in der Suchmaschine etwas versteckt. Sie hat gegenüber ChatGPT auf OpenAI aber einen großen Vorteil: Sie verweist auf die Quellen, aus denen sie ihre Informationen bezieht (siehe Abbildung).
So gelingt der Zugang:
1. Microsoft Edge als Browser installieren.
2. Dort Bing aufrufen.
3. Frage eingeben – etwa: „Wie kann ich ChatGPT nutzen?“
4. Auf der dann erscheinenden Ergebnisseite unterhalb des Eingabefensters auf „Chat“ klicken.
5. Dann geht ein Fenster mit einem Dialog auf. Dort „Auf Warteliste setzen lassen“ klicken und sich mit seinem Microsoft-Konto anmelden. Wer keines hat, muss sich dafür noch registrieren. Nach einigen Tagen bekommt man dann eine Mail, dass man die neue Funktion jetzt nutzen kann.
6. Klickt man den Link in der Mail, kommt man zu Bing.
7. „Chat“ auswählen und los geht‘s.
Inhaltliche Fehler
Ich setze die KI darum eher als Kreativitätsassistentin ein, stoße aber auch dabei auf zwei inhaltliche Fehler. So empfiehlt mir die KI Sage für einen Wochenendtrip nach London den Besuch des Buckingham Palace, „Sitz der britischen Königin“. Da Queen Elisabeth II. 2022 gestorben ist und der Bot nur mit Informationen bis 2021 trainiert wurde, ist das nicht verwunderlich.
Schwerwiegender ist der Fehler von ChatGPT: Für einen Artikel über den Einstieg an der Börse frage ich ChatGPT, worauf man bei der Wahl der depotführenden Bank achten sollte. Antwort unter anderem: darauf, dass der Broker dem Einlagensicherungsfonds angehört. Diese Aussage stimmt so nicht.
Ich frage nach: „Spielt die Einlagensicherung bei einem Wertpapierdepot eine Rolle?“. Die bereits falsche Information wird jetzt von der KI verschlimmert: „Ja, die Einlagensicherung spielt auch bei einem Wertpapierdepot eine wichtige Rolle“. Darauf folgen drei Absätze. Erst als ich schreibe, dass das nicht stimme, lenkt die KI ein: „Vielen Dank für die Korrektur. Sie haben vollkommen recht: Wertpapiere sind keine Einlagen und unterliegen deshalb nicht der gesetzlichen Einlagensicherung.“
Hätte mir vor drei Monaten jemand gesagt, dass ich mit einer KI darüber diskutiere, ob man bei der Wahl eines Brokers auf die Einlagensicherung achten muss oder nicht, hätte ich das nicht für möglich gehalten.
Factchecking wird wichtiger
Als wirklich gefährlich empfinde ich allerdings, dass der Text so „richtig“ klingt, dass ich kurz an meinem Wissen zweifle. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft sehr viele falsche Informationen im Internet sehen werden – noch viel mehr als heute. Die Folge: Wir werden deutlich mehr professionelles Faktenchecking benötigen. Zudem sollte nach meiner Überzeugung spätestens jetzt Medienkompetenz zum festen Schulfach werden. Zusätzlich sollte es auf allen denkbaren Kanälen entsprechende Informationsangebote für Erwachsene geben.
Trotz meiner Erfahrungen mit den inhaltlichen Problemen möchte ich ChatGPT im Arbeitsalltag nicht mehr missen. Das liegt auch daran, dass ich zuvor das Buch „Schreiben mit ChatGPT in Schule, Uni und Beruf“ des Wirtschaftswissenschaftlers Christian Rieck gelesen habe. Er hat es zusammen mit ChatGPT geschrieben, und es ist an vielen Stellen verwirrend, weil es bewusst erkennbar falsche Informationen enthält. Beispielsweise zitiert es direkt zu Beginn eine Rezension, die Marcel Reich-Ranicki angeblich über dieses Buch geschrieben hat. Reich-Ranicki ist aber bereits 2013 gestorben, er hat dieses Buch niemals gelesen, geschweige denn eine Rezension darüber geschrieben.
Trotzdem bringt mich das Buch auf die richtige Spur für die Einsatzmöglichkeiten: nämlich weg von den einfachen Suchanfragen und hin zu einer Kreativitätsassistentin.
Wie ChatGPT unsere Arbeit erleichtern kann
ChatGPT kann auf nahezu unendliche Weise genutzt werden. Wichtig ist dabei, von Anfang an die Dialogform zu nutzen, denn die KI bearbeitet die ausgeworfenen Ergebnisse weiter. Einige Beispiele für den alltäglichen Einsatz:
- Ich lasse eine deutsche Mail ins Französische übersetzen. Weil das Ergebnis so klingt, als ob ich vertragssicher französisch sprechen würde (was ich nicht tue), gebe ich als weitere Anweisung ein: „Schreibe den Text in einfacherem Französisch.“
- ChatGPT wandelt meinen Ankündigungstext für eine Veranstaltung in Posts für Twitter, Instagram und LinkedIn um. Die Texte sind inhaltlich gut, die Sprache ist dem jeweiligen Medium angemessen, sie haben die richtige Länge und liefern Emojis und Hashtags mit. Eins zu eins will ich sie nicht übernehmen, weil sie mir zu überschwänglich sind.
- Ich frage – mit unterschiedlich guten Ergebnissen – welche Punkte in Artikeln zu bestimmten Themen vorkommen sollten (siehe Abfrage oben rechts).
- Eine dieser Gliederungen, auf die ich auch ohne ChatGPT gekommen wäre, lasse ich direkt für Suchmaschinen optimieren.
- Ich nutze ChatGPT, um Themen zu generieren.
- Ich setze die KI für Überschriftenvorschläge ein. Für diesen Artikel hat sie vorgeschlagen: „ChatGPT: Wie Künstliche Intelligenz die Arbeit von Journalisten und PR-Experten erleichtern kann“.
Mein absolutes Highlight ist jedoch der Einsatz von ChatGPT bei meiner Homepage. Sie läuft auf WordPress, und nach dem letzten Update hatte ich längere Zeit keinen Zugang zum Backend. Mehr als vier Wochen lang verbrachte ich Stunden um Stunden in Foren, analysierte den Fehlercode
immer wieder aufs Neue, fragte einen Kollegen und komme auch mit Google nicht weiter. Nachdem ich Zugang zu ChatGPT hatte, kopierte ich den Seitencode ins Eingabefeld und fragte nach Korrekturen. Keine fünf Minuten später konnte ich mich wieder ins Backend einloggen.
Die dunkle Seite von ChatGPT
Ein Kritikpunkt am Gebrauch von ChatGPT ist, dass das Training der Software sehr viel Energie verbraucht. Außerdem müssen Nutzerinnen und Nutzer – wie erwähnt – ihre Mailadresse und Telefonnummer bei der Registrierung angeben. Zusammen mit den gestellten Fragen lassen sich so Profile entwickeln, die auch mit Dritten geteilt werden können. Datenschutz spielt also eine untergeordnete Rolle.
Hinzu kommen Fragen nach Urheber- und Lizenzrechten sowie ethische Bedenken, wenn Medienschaffende Texte verwenden, die von einer KI geschrieben wurden. Und natürlich bleibt die Frage offen: Wie wird KI die Medienbranche verändern? Werden einige Berufe überflüssig? Um diese Fragen wird es im JOURNAL 2/23 gehen.||
Weiterführende Informationen
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Ein Beitrag aus JOURNAL 1-23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.