Die Grundrente soll dafür sorgen, dass es im Alter in der Geldbörse nicht zu knapp wird. | Foto: Corinna Blümel
Die Grundrente soll dafür sorgen, dass es im Alter in der Geldbörse nicht zu knapp wird. | Foto: Corinna Blümel
 
Soziale Absicherung | 

Im Alter besser leben

Grundrente als Zuschuss für ehemalige Geringverdienende
17. Dezember 2020, Pascal Hesse

Am 1. Januar 2021 tritt das Grundrentengesetz in Kraft. Wer in seinem Berufsleben unterdurchschnittlich verdient hat, soll davon profitieren: Im Alter adäquat leben, sich weniger Sorgen machen müssen, für die persönliche Lebensleistung gewürdigt werden – das alles soll die sogenannte Grundrente bieten. Nach dem Beschluss des Bundestags am 2. Juli und der Zustimmung des Bundesrats tags darauf tritt das Gesetz zur Grundrente am 1. Januar 2021 in Kraft.

Automatisch und rückwirkend

Damit ist klar: Alle, die einen Anspruch auf die Grundrente besitzen, werden sie erhalten – automatisch ab Mitte des Jahres und rückwirkend zum Jahreswechsel, so das Versprechen der Bundesregierung. Danach sollen alle mit der Grundrente rechnen können, die in ihrem Berufsleben unterdurchschnittlich verdient haben: Das betrifft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie freiberufliche Autorinnen und Autoren, Journalistinnen und Journalisten und Fotografinnen und Fotografen, die in die Künstlersozialversicherung (KSK) eingezahlt haben.

„Wir sorgen dafür, dass rund 1,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner, die viel geleistet haben, spürbar mehr Geld in der Tasche haben, indem sie einen Zuschlag auf ihre Rente erhalten, und zwar ohne Anträge auszufüllen und ohne zum Amt zu müssen. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, der hat sich im Ruhestand eine ordentliche Rente verdient“, betonte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in der Debatte zum Grundrentengesetz im Mai 2020.

Mit einem Anspruch auf die Rentenzuschläge soll rechnen dürfen, wer viele Jahre gearbeitet, aber wenig verdient hat, wer Kinder erzogen oder wer Angehörige gepflegt hat. Grob gesagt: Wer mindestens 33 Jahre entsprechende Ansprüche gesammelt hat, könne mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von der Grundrente profitieren, erläuterte Heil.

Mindestgröße bei „Entgeltpunkten“

Ganz so positiv sieht Michael Hirschler, Freienreferent des DJV, die Grundrente nicht. „Wer besonders schlechte Jahre hatte und wenig an die KSK gezahlt oder über die Rundfunkanstalt wenig in die Rentenversicherung abgeführt hat, erhält ein solches Jahr in der Berechnung in der Regel nicht als sogenannte Grundrentenzeiten anerkannt.“ Bei der komplizierten Berechnung der Ansprüche in bestimmten Konstellationen würden gerade solche Zeiten nicht berücksichtigt, in denen besonders wenig verdient wurde. Gezählt würden nur Zeiten mit einem Einkommen, das zwischen 0,3 und 0,8 „Entgeltpunkte“ ergibt. „Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel das Jahr 2020 nicht berücksichtigt wird, wenn man bei der Künstlersozialkasse ein Jahreseinkommen von 12 000 Euro gemeldet hat. Denn diese Summe ergibt derzeit nur 0,2959 Entgeltpunkte“, rechnet Hirschler vor.

VG Wort: Zuschüsse zur privaten Altersvorsorge

Wer als Journalistin oder Journalist bzw. Autorin oder Autor hauptberuflich frei und überwiegend publizistisch arbeitet und Wahrnehmungsberechtigter oder Mitglied der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) ist, kann dort einen einmaligen Zuschuss zur privaten Altersvorsorge beantragen. Dafür gibt es das sogenannte Autorenversorgungswerk (AVW) II, das Kapitallebens- und Rentenversicherungen oder Sparverträge bezuschusst, die zusätzlich zur Rentenpflichtversicherung über die Künstlersozialkasse bestehen. Neuabschlüsse können dabei berücksichtigt werden. Der Zuschuss beträgt maximal 7 500 Euro und kann höchstens 50 Prozent der Ablaufsumme der Verträge entsprechen. Dabei muss die Ablaufsumme bei mindestens 5 000 Euro liegen, und der Vertrag darf nicht vor dem vollendeten 60. Lebensjahr fällig werden. Eine Antragstellung ist ab dem 50. Lebensjahr und spätestens bis Ende des Kalenderjahres möglich, in dem das gesetzliche Rentenalter erreicht wird. Der Zuschuss wird direkt auf das Konto des Antragstellenden ausgezahlt. Journalistinnen und Journalisten sowie Autorinnen und Autoren, die bereits Zahlungen vom Autorenversorgungswerk bekommen oder bekommen haben (etwa über das seit 1996 für Neuanträge geschlossene AVW I), haben keinen Anspruch auf den Zuschuss. Ansprechpartnerin bei der VG Wort ist Karin Leidenberger, erreichbar unter Tel. 089 / 514 12 42 und avw@vgwort.de. Die VG Bild-Kunst unterhält kein entsprechendes Versorgungswerk./

Gerade Geringverdiener fallen raus

Schlechte Karten für einen Teil der freiberuflich Tätigen in Kultur und Medien, die häufig oder zumindest phasenweise bei der KSK sehr geringe Arbeitseinkommen melden können bzw. vom Sender selten beauftragt werden, sodass sie auch wenig abführen: Für sie könnte es darauf hinauslaufen, dass ihre Einzahlungen in die Rentenversicherung gerade nicht als Grundrentenzeiten anerkannt werden. Hirschler fasst es kurz zusammen: „Wer immer nur richtig wenig verdient hat, wird auch durch die Grundrente nicht mehr erhalten.“ Diesem Personenkreis bleibt – wie bisher schon – bei geringer Rente der Anspruch auf die Grundsicherungsrente, also Aufstockung der Rente auf Hartz-IV-Niveau für Rentnerinnen und Rentner.

Aus Michael Hirschlers Sicht hat die Konstruktion der Grundrente einen weiteren Haken: Dabei geht es um die Anrechnung von Kapitalerträgen. „Aus Umfragen wissen wir, dass mehr als zwei Drittel der DJV-Freien eine Kapitallebensversicherung haben. Manche Freien haben zusätzlich oder alternativ andere Kapitalanlagen, um für das Alter vorzusorgen.“ Diese – oft mühsam erarbeiteten – Kapitalerträge werden bei manchen Kolleginnen und Kollegen im Alter eine Aufstockung per Grundrente verhindern.

Zuschlag zur bestehenden Rente

Trotzdem kann natürlich ein Teil der geringverdienenen Freien auf die Grundrente hoffen. Dabei handelt sich nicht um eine eigenständige Leistung, sondern um einen Zuschlag zur bestehenden Rente. Da diese individuell bestimmt wird, ist die Höhe nicht pauschal definierbar. Für die Grundrenten angerechnet werden Zeiten mit Pflichtbeiträgen aus Berufstätigkeit, Kindererziehungs- und Pflegezeiten sowie Zeiten, in denen Leistungen bei Krankheit oder Rehabilitation bezogen wurden. Nicht mitgezählt werden hingegen die Zeiten, in denen zwar gearbeitet, aber zu wenig in die Rentenversicherung abgeführt wurde (siehe oben), sowie Zeiten in denen die Betroffenen Arbeitslosengeld I und II bezogen haben, in denen sie freiwillige Beiträge gezahlt haben, außerdem die Jahre der Schulausbildung und Minijobzeiten ohne eigene Beitragszahlung.

Als Richtschnur für die Grundrente gilt, dass das durchschnittliche persönliche Einkommen während des Berufslebens bei höchstens 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes gelegen hat. Die Einkommensprüfung ist entsprechend recht kompliziert: Wird der monatliche Freibetrag in Höhe von 1 250 Euro für Alleinstehende und 1 950 Euro bei Ehen oder eingetragenen Lebenspartnerschaften überschritten, werden 60 Prozent des darüber liegenden Einkommens angerechnet. Bei Einkommen über 1 600 Euro (bzw. bei Paaren 2 300 Euro) wird der über diesem Betrag liegende Teil gänzlich angerechnet. Ausländisches Einkommen wird ebenfalls angerechnet. Dafür können im Ausland lebende Rentnerinnen und Rentner ebenfalls Grundrente erhalten, denn der Anspruch ist nicht an einen Wohnsitz in Deutschland gebunden.

Wichtig ist: Niemand muss sich bei der Rentenversicherung oder der Künstlersozialversicherung melden und einen Antrag stellen, um den Zuschlag zu erhalten. Der jeweilige Rentenversicherungsträger ermittelt automatisch die anrechenbaren Zeiten und prüft die weiteren Voraussetzungen für alle Rentnerinnen und Rentner. Besteht ein Anspruch, wird die Grundrente – zusammen mit der normalen Altersrente – ausgezahlt.

Längere Prüfung

Vor allem Frauen sollen von der Grundrente profitieren, wie Heil erläuterte: „Sie haben häufig – übrigens nicht immer freiwillig – Teilzeit gearbeitet. Sie arbeiten in Dienstleistungsberufen, die in der Regel schlechter bezahlt werden als industrielle Berufe, wo überproportional viele Männer arbeiten. Sie leisten vieles: in der Pflege oder in der Erziehung.“ Wer Grundrente erhält, kann im Durchschnitt mit einem Zuschlag von 75 Euro pro Monat rechnen.

Da es aktuell rund 26 Millionen Rentenkonten zu prüfen gilt, werden die ersten Grundrentenbescheide voraussichtlich erst Mitte 2021 verschickt. Spätestens dann wissen ehemalige Freie mit geringer Rente, ob sie mit einem Zuschlag rechnen können. Beträge, auf die ab dem 1. Januar 2021 ein Anspruch besteht, sollen in allen Fällen nachgezahlt werden.||

Weitere Informationen:
www.deutsche-rentenversicherung.de


Ein Beitrag aus JOURNAL 6/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2020.