Wenn Alfred das wüsste – das ist unter Journalistinnen und Journalisten in Köln ein geflügeltes Wort, nachdem bekannt wurde, dass die Mediengruppe DuMont den Verkauf der Zeitungssparte prüft. „Alfred“ – das war Alfred Neven DuMont, der 2015 verstorbene Altverleger, der an den Journalismus und dessen Rolle in der demokratischen Gesellschaft glaubte, an seinen publizistischen Auftrag. Er hatte den Traditionsverlag mit Ehrgeiz zum bedeutenden Medienhaus umgebaut, zu einem der großen Zeitungshäuser in Deutschland mit Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnischer Rundschau und Express, Berliner Zeitung und Berliner Kurier, der Mitteldeutschen Zeitung in Halle und der Hamburger Morgenpost sowie mit weiteren Geschäftsfeldern.
Als der Branchendienst Horizont Ende Februar darüber berichtete, dass DuMont für die Regional- und Boulevardtitel per Verkaufsprospekt unverbindliche Angebote einholen lässt, war die Aufregung groß. Nicht nur in Köln fragten Leser verwirrt, ob demnächst keine Zeitung mehr auf ihrem Frühstückstisch liegt. Schließlich war vielerorts die Rede vom Tod der Lokalzeitung und dem nahen Ende der gedruckten Zeitung.
Versehentlich durchgesickert
Das Durchsickern der Verkaufsabsichten war aus DuMont-Sicht wohl ein Versehen. Aus anderer Perspektive stellt sich die Frage, wer das Interesse hatte, den Vorgang öffentlich zu machen. Das Unternehmen bemühte sich jedenfalls, die Sache herunterzuspielen. Derzeit würden „verschiedene Handlungsoptionen entwickelt“, hieß es, darunter „die mögliche Veräußerung von Teilen des Portfolios“. Bis zu einer Entscheidung werde noch Zeit vergehen, ließ die Geschäftsführung die Beschäftigten wissen. Auch keine wirklich beruhigende Mitteilung.
Hinter DuMont stehen zahlreiche Gesellschafter der Familien Neven DuMont, Schütte und DuMont Schütte. Dass diese geneigt sein könnten, Kasse zu machen, kommt – zumindest für ältere Beschäftigte im Kölner Stammhaus – nicht ganz unerwartet. Denn auch in der Vergangenheit gab es schon ein geflügeltes Wort auf den Redaktionsfluren: „Wenn der Alfred mal nicht mehr ist …“, unkten Redakteurinnen und Redakteure mit Blick auf potenzielle Nachfolger. Und meinten es ernster, je schwieriger das Zeitungsgeschäft nach der Jahrtausendwende wurde. Es war abzusehen, dass sich die nächste Generation zumindest in der Familie Neven DuMont mit dem Erbe schwerer tun würde. Sohn Konstantin ließ sich denn auch 2013 im Streit auszahlen. Seine Schwester Isabella Neven DuMont schlüpfte nach dem Tod des Vaters in die Rolle, die sie für sich nicht geplant hatte, und führt den Aufsichtsrat heute gemeinsam mit ihrem Cousin Christian DuMont Schütte.
Mit der Geschäftsführung sind heute – wie in vielen anderen Medienhäusern – Menschen betraut, für die Journalismus nur ein beliebiges Geschäft ist. Publizistischer Auftrag oder Rolle in der Demokratie? Fehlanzeige. Dazu passten schon Entscheidungen wie die Abwicklung der Hauptstadtredaktion (vgl. „DuMont: Abschied aus der ersten Liga“, JOURNAL 3/18): Zum 1. Oktober 2018 hatte DuMont seine Berliner Redaktion aufgelöst und mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) die gemeinsame RND Berlin GmbH gegründet. DuMont hält daran nur 25 Prozent, Madsacks RND hat mit 75 Prozent das Sagen.
Teure Fehlentscheidungen
Eine Reihe teuer Fehlentscheidungen hatte allerdings noch Alfred Neven DuMont zu verantworten. Etwa 2006 die mehrheitliche Übernahme der Frankfurter Rundschau, die 2012 Insolvenz anmelden musste und im März 2013 mit dem Segen des Kartellamts und Zustimmung der Gläubiger an die FAZ überging. Gekauft hatte der Altverleger auch die gebeutelte Berliner Zeitung, die das Handelsblatt mit Bezug auf die diversen Besitzerwechsel seit der Wende jüngst als „Wanderpokal“ bezeichnete. Der Zeitungsmarkt in der Hauptstadt gilt als übersättigt und deswegen besonders schwierig. Zu kämpfen hat DuMont nicht zuletzt, weil Kölner Express, Hamburger Morgenpost und Berliner Kurier wie andere Boulevardblätter zügig Auflage verlieren.
Allerdings geben Auflagenverluste nur begrenzte Auskunft über Umsatz und vor allem Gewinn. In den vergangenen Jahren hat DuMont die Personalkosten durch Stellenabbau und die Zerschlagung in zahllose, vornehmlich tariflose Tochtergesellschaften erheblich reduziert und zugleich entsprechend dem Branchentrend kräftig an der Abo-Preisschraube gedreht. Und zumindest der Kölner Stadt-Anzeiger soll dem Vernehmen nach durchaus profitabel sein.
Gerüchte über mögliche Käufer
Gerüchten zufolge hat CEO Christoph Bauer die Zeitungssparte bereits 2017 angeboten – zu Preisen, auf die kein Medienhaus angesprungen sei. Ob es jetzt gelingt, das ganze Paket oder einzelne Zeitungen zu veräußern? Nach dem jüngst geschlossenen Deal mit der Hauptstadtredaktion (s.o.) liegt es nahe, die Verlagsgruppe Madsack in Betracht zu ziehen. Genannt wird auch die Funke Mediengruppe, die schon früher mit DuMont verhandelt haben soll und die gerade mit einem neuen Sparprogramm von sich reden macht (siehe auch „Kulturrevolution „als Schrumpfkur). Die Rheinische Post Mediengruppe ist schon länger auf Einkaufstour, und auch Verleger Dirk Ippen könnte Lust auf Zukäufe haben.
Insgesamt gehen Beobachter aber davon aus, dass es schwierig sein dürfte, einen Käufer für die komplette Sparte zu finden. Neben den Regionalzeitungen gehören Anzeigenblätter und Druckereien zum Paket. Gelänge der Komplettverkauf, blieben bei DuMont die Geschäftsfelder Marketing Technology und Business Information übrig.
Erst im November hatte die Gruppe ihre Neuausrichtung mit drei Geschäftsfeldern abgeschlossen. Hinter Business Information verbirgt sich nicht nur der Bundesanzeiger, der vermutlich bis 2022 durch ein elektronisches Bundesgesetzblatt abgelöst wird. DuMont hat weitere Töchter, die Daten für Unternehmen und Institutionen aufbereiten und „Unterstützung im komplexen Dickicht der wachsenden regulatorischen Anforderungen“ anbieten. Das Geschäftsfeld Marketing Technology umfasst Content-Marketing-Softwarelösungen, mit denen Unternehmen ihre Vertriebs- und Kommunikationsaktivitäten optimieren können. Erst jüngst hat DuMont eine Mehrheit am Unternehmen censhare übernommen, das eine „Universal-Smart-Content-Plattform“ als zentrale Infrastruktur für das daten- und contentgestützte Marketing entwickelt hat. Die Idee: zielgruppenrelevante Botschaften über verschiedene Kanäle hinweg zum Kunden zu bringen.
Beschäftigte am Standort Köln beobachten bei DuMonts Spitze vor allem ein Interesse an Software. Wären die Zeitungen nicht zum akzeptablen Preis zu veräußern, würden sie vielleicht zum Showcase, um zu demonstrieren, was andere Medienhäuser mit der Software machen können. Auch wenn mancher Fachmann dem Traditionsverlag in den vergangenen Wochen vorgeworfen hat, die Digitalisierung verschlafen zu haben: Es könnte sein, dass DuMont sein Geschäftsmodell für die Zukunft ausgerechnet in der Digitalisierung sieht. Nur der Journalismus spielt dabei voraussichtlich bestenfalls eine untergeordnete Rolle.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2019.