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DW: Höchste Gefahr für Medienschaffende in Afghanistan

Gefordert sind schnelle Evakuierungen und ein Visa-Notprogramm
24. August 2021, MW/cbl

Nach der Machtübernahme durch die Taliban schweben Medienschaffende sowie ihre Familienangehörigen in Afghanistan in akuter Lebensgefahr, vor allem, wenn sie in den vergangenen Jahren für internationale Medienorganisationen tätig waren. Der DJV forderte, genau wie Reporter ohne Grenzen, die internationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf. In einem offenen Brief appellierten deutsche Medienhäuser und -verbände dringend an die Bundesregierung, ein Visa-Notprogramm für ihre afghanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzurichten.

Es müsste neben den Journalistinnen und Journalisten auch Übersetzerinnen und Übersetzer, Producerinnen und Producer sowie Stringer umfassen. Betroffen sind zudem nicht nur die Medienmitarbeiter im Land sowie ihre Familien. Nach Berichten, die dem DJV vorliegen, machen Taliban in Kabul und anderen Städten systematisch Jagd auf Angehörige einheimischer Journalistinnen und Journalisten, die nicht mehr in dem Land leben.

Bekannt wurde der Fall eines Journalisten der Deutschen Welle (DW) in Bonn, der inzwischen in Deutschland arbeitet. Auf der Suche nach ihm erschossen Taliban-Kämpfer am 19. August im Westen des Landes einen seiner Angehörigen und verletzten einen weiteren schwer, wie die DW meldete. Weitere Familienmitglieder hätten in letzter Sekunde entkommen können und seien auf der Flucht, berichtet die DW. Dem Sender zufolge durchsuchten Taliban bereits die Häuser von mindestens drei DW-Journalisten. Kollegen von anderen Medien wurden entführt oder getötet.

Als Angehörige leicht identifizierbar

Als deutscher Auslandssender arbeitet die DW in ihren Zielländern mit Redaktionen bzw. journalistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Korrespondentinnen und Korrespondenten. Im Fall der Afghanistan-Redaktion handelt es sich um ein Dutzend journalistische Kräfte vor Ort. Sie berichten, teils seit Jahren, unter ihrem Klarnamen, also nicht unter einem Pseudonym, aus der Region. Daher sind sie und ihre Familien leicht identifizierbar und befinden sich in einer speziellen Gefährdungslage.

Entsprechend forderte der DJV-NRW, die afghanischen Mitarbeitenden der DW mit ihren Familien außer Landes zu bringen: „Die Menschen befinden sich durch ihre Tätigkeit in ganz besonders großer Gefahr“, erklärte der Bundesvorsitzende des DJV, Frank Überall. „Wir können diese journalistischen Mitarbeiter und ihre Angehörigen jetzt nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.“

Die Bundesregierung plant, deutsche Staatsangehörige und sogenannte Ortskräfte mit Maschinen der Bundeswehr in Sicherheit zu bringen. Unklar ist allerdings, ob alle DW-Mitarbeitenden und ihre Angehörigen überhaupt unbehelligt zum Flughafen durchkommen können, da die Taliban Medienberichten zufolge die Anfahrtswege kontrollieren. Zudem verfügen nicht alle Betroffenen über die notwendigen Dokumente wie Reisepässe.

Je weiter sich die Lage zuspitzt, desto mehr schwindet die Hoffnung, dass alle Hilfesuchenden das Land wirklich verlassen können. Das Zeitfenster, das den Menschen vor Ort bleibt, ist denkbar kurz, mahnt Daniel Scheschkewitz, Vorsitzender des örtlichen Personalrats der DW in Bonn. „Wir hoffen, dass die Bundesregierung die DW-Mitarbeitenden bei ihren Evakuierungsbemühungen im Auge behält und dafür sorgt, dass alle unversehrt aus dem Land herauskommen.“||

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2021.