Stephan Mündges ist Institutsmanager am Institut für Journalistik der TU Dortmund. Im Interview mit Marie Illner spricht er darüber, warum Lokaljournalismus nur noch eine Option unter vielen ist, welche Karrierewege heute möglich sein sollten und wo die Branche selbstbewusster auftreten kann.
JOURNAL: Herr Mündges, herrscht im Journalismus, vor allem im Lokaljournalismus, Fachkräftemangel?
Stephan Mündges: Der Bedarf nach neuen, angehenden Journalistinnen und Journalisten ist riesig. Er ist in den letzten Jahren gestiegen und wir gehen davon aus, dass er auch in den nächsten Jahren steigen wird. Wir hören aus den Häusern, dass der Bedarf in den nächsten Jahren noch steigen wird, weil sehr geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen werden. Bei uns melden sich viele Lokal- und überregionale Medien und fragen nach Leuten. Immer wieder melden sich auch potenzielle Partner, die ein in unseren Studiengang integriertes Volontariat anbieten möchten.
JOURNAL: Können Sie mit Nachwuchs dienen?
Mündges: Wir sind nicht in der Lage, den ganzen Bedarf zu decken, der an uns herangetragen wird. So viele Studierende haben wir gar nicht. Unsere Studiengänge sollen nur so groß sein, dass wir eine intensive Betreuung gewährleisten können, damit unsere Absolventinnen und Absolventen bestmöglich ausgebildet und vorbereitet in die Praxis gehen.
JOURNAL: Wieso fehlt es gerade dem Lokaljournalismus an Leuten?
Mündges: Die Rollen, die Journalistinnen oder Journalisten einnehmen können, haben sich in den letzten Jahren ausdifferenziert. Man kann sich zum Beispiel thematisch spezialisieren oder in relativ neue Publikationsformen wie das Fakt-Checking gehen. Durch die gewachsene Zahl der Rollen haben auch die Optionen zugenommen, in die sich der Nachwuchs orientieren kann. Lokaljournalismus ist nur noch eine Option unter vielen. Wer früher in den Lokal- oder Regionaljournalismus gegangen wäre, macht heute vielleicht Datenjournalismus.
Auch ist im Lokaljournalismus die Bezahlung ein Problem. In überregionalen Häusern kann man unter Umständen mehr verdienen, das fängt schon bei der Vergütung von Praktika an. Außerdem hatten wir in diesem Bereich in Krisenzeiten wohl einen größeren Stellenabbau als in anderen Bereichen.
JOURNAL: Wie könnten die Redaktionen den Pool an Bewerberinnen und Bewerbern vergrößern – einfach mit den Anforderungen runtergehen?
Mündges: Man sollte Anforderungen an Journalistinnen und Journalisten nicht herabstufen. Der Journalismus muss aber offener werden für andere Karrierewege und versuchen, vermehrt gesellschaftliche Gruppen anzusprechen, die früher nicht auf die Idee gekommen wären, einen Journalismus-Studiengang zu wählen. Medienhäuser sollten auch darüber nachdenken, sich potenzielle Bewerber anzuschauen, die nicht studiert haben. Warum soll jemand mit Bankkaufmann-Lehre nicht auch über die lokale Wirtschaft berichten können?
JOURNAL: Fußballclubs haben bei der Suche nach Nachwuchs ihre Altersgrenze irgendwann immer weiter heruntergeschraubt. Sollten Redaktionen das auch tun?
Mündges: Angehende Studierende haben uns berichtet, dass manche Medienhäuser keine Schülerpraktika mehr anbieten. Sollte das weit verbreitet sein, halte ich das für ein Problem. Der Betreuungsaufwand ist zwar hoch, aber dadurch verliert man unter Umständen Leute. Potenziellen Einsteigerinnen und Einsteigern sollten wir vor allem klarmachen, dass der Journalismus eine Branche ist, die sicherer ist als gemeinhin angenommen. Als ich angefangen habe zu studieren, hieß es: ‚Krise, Krise, Krise‘ und ‚Es ist gar nicht so sicher, ob man einen Job kriegt.‘
Heute ist die Jobsicherheit im Journalismus relativ hoch, ebenso die Freiheiten, die man genießen kann. Wir können also selbstbewusster vertreten, dass der Journalismus gute, spannende und auch sichere Jobs bietet.“||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.