EDITORIAL |

Nach Europa schauen

13. Juni 2023, Andrea Hansen
Andrea Hansen, Vorsitzende des DJV-NRW. | Foto: Uwe Voelkner / Fotoagentur FOX
Andrea Hansen, Vorsitzende des DJV-NRW. | Foto: Uwe Voelkner / Fotoagentur FOX

In ziemlich genau einem Jahr steht das politische Europa mal wieder im Mittelpunkt. Denn 2024 wird das 10. Europäische Parlament (EP) gewählt. Dazwischen sehen wir immer mal wieder Flaggen in Brüssel wehen und Limousinen vor dem EP vorfahren. Aber so richtig nah ist den meisten das politische Europa nicht.

Dabei wirkt es überall in unseren Alltag – mehr als 35 Prozent hiesiger Gesetze gehen auf Impulse der EU zurück. Wenn solche Richtlinien nicht in Bundesrecht überführt werden, hat die Union auch Sanktionsmöglichkeiten. Deutschland ist in den Top 10 der Vertragsverletzer – 80 Verfahren waren im April 2021 gegen die Bundesrepublik anhängig. Die unzureichend umgesetzte Whistleblower-Richtlinie brachte Berlin die jüngste Rüge aus Brüssel ein.

Ob Digital Services Act (DSA), European Media Freedom Act (EMFA) oder das aktuell diskutierte Gesetz über Künstliche Intelligenz (siehe auch Titelthema ab Seite 12) – immer wieder betreffen EU-Richtlinien auch die Arbeit von Medienschaffenden. Dann kommt die European Federation of Journalists (EFJ) ins Spiel, die vor Ort in Brüssel 320 000 Mitgliedern von 70 Gewerkschaften aus

44 Ländern vertritt. Deren Lobby-Job ist nicht ganz ohne. Denn was in einem Land einen ersten wichtigen Schritt oder sogar großen Fortschritt darstellt, wird andernorts eventuell als Bedrohung bestehender Strukturen, als Einmischung in innere Angelegenheiten oder sogar als Rückschritt empfunden. Ärgerlich ist, dass sich viele oft erst zu Wort melden, wenn die letzte Lesung durch ist.

Wir Medienmenschen sollten uns mehr für Europa interessieren – in eigener Sache, als DJV-NRW und, wer kann, auch im Job. Selbst wenn es kompliziert ist: Europa bietet mehr Für als Wider. Es ist ein großes Labor voller Ideen. Der Blick über die Grenze erweitert nicht nur im Urlaub den Horizont. So haben zum Beispiel unsere niederländischen Nachbarn sehr gute Verfahren zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten gegen Angriffe bei Demos.

Schon länger träume ich von einem grenzüberschreitenden Event – etwa mit dem Zug von Münster nach Enschede oder umgekehrt fahren, Journalistinnen und Journalisten aus beiden Ländern an Bord, dazu Expertinnen und Experten für bestimmte Themen, auf die der Blick aus Richtung zweier Länder lohnt. Und dann abends Netzwerken in gelöstem Rahmen. Denn es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Viele Probleme ähneln sich, doch Lösungen fallen oft unterschiedlich aus.

Ich würde mich freuen, wenn mehr Menschen im DJV-NRW Lust auf Europa hätten – in ihrer Berichterstattung, in Gremien oder beim Organisieren eines Events, als Projekt, ganz ohne Posten! Wer ist dabei? Meldet euch gern bei mir: andrea.hansen@djv-nrw.de!

Ein Beitrag aus JOURNAL 2/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2023.