„Wir müssen dringend mal über Wertschätzung reden“, hatte die nette Kollegin in der letzten Videokonferenz gesagt. Ja, gerne, natürlich, meinte auch unser Stammtisch. Aber wo fangen wir da an? Etwa bei unseren eigenen Chefs, für die ihre Redaktionen oft doch nur noch Kostenstellen sind? „Egal, was die eine oder andere Verlegerin sagt“, kritisierte Benni: „Stets heißt es: Es muss sich natürlich auch rechnen.“
Letztlich ging Wertschöpfung wohl vor Wertschätzung. „Tarifflucht und Honorarverfall beweisen doch die wachsende Missachtung von Journalistinnen und Journalisten, vor allem der Freien“, klagte Laura. „Die Aussicht auf ein Rendite-Milliönchen lockt Medienmanager eben an wie Saudi-Arabien die alternden Fußballer“, kicherte Christian.
Okay, auf die Bosse ist oft kein Verlass. Ganz zu schweigen von Verleger- Alpträumen wie Mathias Döpfner von Springer, einem notorischen Runterputzer. Diesmal hatte er uns „heuchlerisch hohe moralische Erwartungen an die Politiker“ unterstellt, die wir selbst nicht erfüllen würden. „Hat er wohl mal wieder BILD und WELT gelesen,“ spottete Hanna. „Kein Wunder“, brachte Paul den nächsten Miesmacher in Spiel, „dass Holger Friedrich von der Berliner Zeitung jetzt wichtigen Leuten rät, nur ja den Kontakt mit den meisten Journalisten zu vermeiden“.
Was lernen wir daraus? „Augen auf bei der Verleger-Suche“, riet Rainer. „Wer solche Chefs hat, der braucht zum Gruseln keine Querdenker-Demos mehr,“ frotzelte Patricia. Womit wir beim schwindenden Ansehen waren, wohl nicht nur in total durchgeknallten Kreisen. „Angeblich glaubt man uns nicht mehr“, meinte Lucy. Dabei liest die Hälfte aller Deutschen immer noch Tageszeitungen. Überwiegend lokale und regionale, im Abo, zunehmend auch digital. „Klingt das nach grassierendem Misstrauen?“ fragte Bernd.
Trotzdem: Immer wieder werden Redaktionen vor Ort eingespart. Wir müssen also unseren Wert wieder erhöhen. Aber wie? „In Tarifrunden durch Streik“, grinste Christian, der schärfste aller Gewerkschafter am Tisch. Der Stammtisch lächelte milde. Wir werden gebraucht, vor allem im Lokalen, da waren wir sicher. Um das zu beweisen, müssen wir weiter einen guten Job machen, geduldig beraten und erklären. „Wie wertvoll ist guter Journalismus denn wirklich“, fragte Peter in die Runde. Claudia überlegte nur kurz: „Kommt darauf an, wie sehr Du Wahrheit und Demokratie behalten willst…“ Wir nickten. Niedriger durfte man den Wert nun wirklich nicht einschätzen. ||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im September 2023.