Wir wollten beim Wichteln gerade den zweiten Glühwein anschlürfen, da fragte Tino in die Runde: „Seid ihr auch so froh, dass es überhaupt noch Journalistinnen und Journalisten gibt? Leute, die alle seriös mit Infos und Einsichten versorgen, kurz: Leuchttürme in der Datenflut und der Hass-Schwemme.“ Schwupps, war die Weihnachtsstimmung futsch. Wir ließen die Schultern hängen. Tino hakte nach: „Ich verstehe wirklich kaum noch, warum man sich diesen Job weiterhin zumutet.“
Ist es etwa sinnvoll, in tagtäglicher Dauerschleife über Monate Abgesänge auf die Ampel wiederzukäuen? Motto: Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Ist es wirklich anspruchsvoll, selbst peinlichsten Auftritten von Parteifunktionären ständig eine Plattform zu bieten – Relevanz piepegal? Winkt Pulitzer, wenn man für Klicks aus C-Promis schnell mal „TV-Stars“ macht, inklusive Blick aufs Liebesleben?
Macht es tatsächlich Spaß, wenn der kurzgeschorene Nachbar „Lügenpresse“ über den Zaun brüllt? Wenn dich beim Demo-Termin Hass-Gesichter anspucken (und du da sogar noch Glück gehabt hast)? Bringt es Wohlgefühl und Befriedigung im Job, wenn der eigene Arbeitgeber die seelen- und tariflose KI offensichtlich so viel lieber hat als dich?
Man könnte noch ewig so weiter fragen. „Früher waren Journalistinnen und Journalisten Respektspersonen“, erinnerte sich Gerhard, unser Oldie. „Ja“, geierte Sandra, „neben Pfarrer, Lehrer, Polizist und Wirt“. Gunnar spekulierte: „Seit es im Internet an allen Ecken und Enden vor Infos und Theorien nur so wimmelt, denken alle: Das kann ja wohl jede und jeder. Und niemand weiß anscheinend mehr, warum und wie wir unseren Job wirklich machen.“
Nämlich mit kritisch-objektivem Blick, aus Leidenschaft und Überzeugung. Irgendwer muss uns doch zuverlässig Informationen und Wissen liefern, das wir in unseren Kommunen, im Staat, für unsere Demokratie brauchen. Benno: „Und wann begreifen Politikerinnen und Politiker endlich, dass Journalismus sie nur dann in die Pfanne haut, wenn sie Mist bauen. Und dass Journalismus ihnen eigentlich ansonsten den demokratischen Popo rettet.“ Er benutzte natürlich ein anderes Wort für demokratisch.
Zurück zur Ausgangsfrage: Sind wir eigentlich verrückt? Anhaltspunkte dafür gibt’s genug. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die kann man auch dann nicht von diesem komischen Journalismus abhalten, wenn die Chefs vollkommen offen und ehrlich sind: Hallo, bei uns gibt’s jede Menge Überstunden. Und wir verlangen Arbeit auch nachts und an Sonn- und Feiertagen. Garantiert sind schlechte Ausstattung und mangelnde Unterstützung. Und wir versprechen, dass wir auf jeden Tarif pfeifen, um Gehälter zu drücken. Wir werden euch demütigen und ausquetschen…
„Her mit dem Job“, rufen immer noch einige. Was für ein Glück.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2024.