Betriebsgruppenarbeit in den großen Sendern ist eine Herausforderung: Die ehrenamtliche Gewerkschaftsarbeit findet neben dem normalen Dienst und der Personalratstätigkeit statt. Und wenn nicht gerade ein bestimmtes Thema das Haus durchschüttelt, ist es oft ganz schön schwierig, Kolleginnen und Kollegen für die betriebsinterne Arbeit des DJV zu interessieren oder sie zu einer Veranstaltung zu locken.
Das merken auch die Kolleginnen und Kollegen beim Deutschlandradio (DRadio), die am Standort Köln gerade die Betriebsgruppe für die kommenden Jahre neu aufstellen. Christel Boßbach, die sich lange Jahre in der Betriebsgruppe und im Personalrat engagiert hat, musste aus gesundheitlichen Gründen im vergangenen Jahr kürzertreten. Inzwischen hat sie ihre Arbeit beim Sender beendet. Auf ihren Sitz im Örtlichen Personalrat (ÖPR) in Köln ist im Herbst 2019 Gerda Bergs nachgerückt. Die weiteren ÖPR-Mitglieder der Liste „DJV & Freunde“ sind Irene Groh, Frank Kämpfer und Rüdiger Hagelstein. Erster Nachrücker ist Andreas Räder.
Breite Interessenvertretung
Formell gehören zur DJV-Betriebsgruppe alle Festen und Freien, die DJV-Mitglied sind und in Köln oder Berlin für eines der drei Programme Deutschlandfunk (DLF), Deutschlandfunk Kultur (DLF Kultur) und Deutschlandfunk Nova (DLF Nova) bzw. für den Onlineauftritt arbeiten. Ähnlich wie bei der Deutschen Welle (siehe JOURNAL 5/19) hat sich die Betriebsgruppe beim DRadio vor einigen Jahren bei der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die Personalratswahlen geöffnet, um auch andere Berufssparten zu vertreten. Der Gedanke dahinter: Wenn sich die medialen Berufsbilder wandeln, gibt es immer weniger klassische Journalisten, aber immer mehr Berufsgruppen mit journalistischen Aufgaben. Dem muss man als Mediengewerkschaft Rechnung tragen, will man im Rennen bleiben.
So versteht sich die Gruppe „DJV & Freunde“ als gewerkschaftliche Plattform für alle Medienschaffenden und alle Medienberufe im Haus. Auf der Kandidatenliste zur Wahl 2016 standen entsprechend Kolleginnen und Kollegen aus dem Schaltraum, den Nachrichten, der Redaktionsassistenz, der Tontechnik, der IT, der Hauptabteilung Kultur und von DLF Nova. Mit Christel Boßbach und Irene Groh an der Spitze haben sie sich um alles gekümmert, was aus Personalratssicht im Haus anstand.
Hoch kochten die Wogen zum Beispiel vor gut einem Jahr bei der Entwicklung neuer Dienstpläne für die Nachrichten – ein Thema, das neben der Redaktion auch den Schaltraum und die Technik betrifft. Die Geschäftsleitung hatte dafür eine externe Agentur beauftragt, die ein komplexes Modell entwickelt hatte, das den Betroffenen in der Praxis unter gesundheitlichen, sozialen und qualitätssichernden Aspekte untauglich schien. Hier konnte der Personalrat durch beharrliche Verhandlungen deutliche Verbesserungen bei neuen Dienstplänen erreichen. Irene Groh hat dabei dank ihrer Hartnäckigkeit eine entscheidende Rolle gespielt.
Eine wichtige Stütze für „DJV & Freunde“ sind DJV-Bundes- und Landesverband. Die Justiziare Benno H. Pöppelmann (Bund) und Christian Weihe (DJV-NRW) stehen ihnen in Arbeitsrecht-, Tarif-, Honorar- und anderen Fragen zur Seite. So kam Weihe etwa ins Haus, um eine Einführung in Social-Media-Recht zu geben oder Freie zu Tarifangelegenheiten, Sozialversicherungsfragen und Bestandsschutz zu beraten.
Anders als der WDR ist der Personalrat beim DRadio allerdings nicht für Freie zuständig, denn der Sender unterliegt dem Bundespersonalvertretungsgesetz. Gesichert werden sollen die Rechte der Freien nach dem 2017 geänderten Deutschlandradio-Staatsvertrag mit einem Freienstatut, auf dessen Basis eine Freienvertretung eingerichtet werden soll. Bisher haben die Gespräche zwischen den Gewerkschaften und der Geschäftsleitung von DRadio aber noch zu keinem Ergebnis geführt.
Das Deutschlandradio
Als „Kind der deutschen Einheit“ ist das Deutschlandradio (DRadio) aus drei Funkhäusern und drei Programmen zusammengewachsen: dem Deutschlandfunk in Köln sowie dem Rias und dem Deutschlandsender Kultur in Berlin. Programmstart war am 1. Januar 1994. Das DRadio berichtet bundesweit über Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Es ist werbefrei und finanziert sich ausschließlich aus seinem Anteil am Rundfunkbeitrag: Aktuell bekommt das Deutschlandradio davon rund 50 Cent.
Neben dem Deutschlandfunk, der weiter in Köln beheimatet ist, ging 1994 in Berlin DeutschlandRadio Kultur an den Start. Im Januar 2010 startete mit dem damaligen DRadio Wissen das dritte Vollprogramm, es ist vorwiegend in Köln angesiedelt. Seit Mai 2017 steht der Name Deutschlandradio nur noch für die Körperschaft. Die drei Programme heißen heute Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova.
Im Herbst 2019 beging das Deutschlandradio seinen 25. Geburtstag. Mediaanalysen belegen stabile, stets leicht wachsende Hörerzahlen für die drei Programme.
Das Nichtlineare wird wichtiger
Wie alle Sender steht das Deutschlandradio mitten im digitalen Wandel; zusätzliche Stellen und Finanzmittel gibt es dafür nicht. Als Intendant Stefan Raue sein Amt Mitte 2017 antrat, kündigte er an, die digitale Präsenz stärken zu wollen. 2019 hat er dieses Leitziel bekräftigt: Online und Social Media sollen mittelfristig ausgebaut, die nichtlinearen Angebote gegenüber den linearen Programmen weiter gestärkt werden.
Nicht zuletzt soll das Onlineangebot interaktiver werden, wie Raue im September 2019 im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger erklärte. Dabei denke man schon über Themen wie Podcasts hinaus in Richtung Personalisierung und auch Interaktivität. „Wir müssen die Hörer jenseits des Hörerradios stärker einbeziehen. Wir müssen stärker die gesellschaftlichen Debatten integrieren, wir sind noch viel zur sehr darauf fokussiert, Auskunft zu geben.“ Alle diese Entwicklungen gilt es mit den vorhandenen Ressourcen zu stemmen und zugleich „Freiräume zu schaffen, Entwicklungsabteilungen zu gründen, die über den Tag hinaus denken“. Nicht zuletzt gelte es, die Entscheidungsstrukturen zu verschlanken, „damit das Digitale nicht immer der letzte Tagesordnungspunkt in der Geschäftsleitungsrunde ist“, wie Raue erklärte.
Zehn Jahre Change-Management
Die Beschäftigen in Köln und Berlin müssen sich für die kommenden Jahre wohl auf viele weitere Veränderungen einstellen. Dabei blicken sie bereits auf etwa zehn Jahre Change-Management zurück: Schon Raues Vorgänger Willi Steul hatte einen Wandel angestoßen, der nicht immer gut kommuniziert und begleitet wurde. Verbunden war und ist dieser kontinuierliche Wandel mit vielerlei Reformen, Umstrukturierungen und Projekten, die zu Arbeitsverdichtung und Anpassungsdruck beitragen. Zwar akzeptieren die Kolleginnen und Kollegen beim DRadio die Notwendigkeit des digitalen Wandels, aber sie vermissen auch unter der neuen Intendanz oft noch Klarheit und detaillierte Konzepte.
Für die beiden Programme, die ganz oder vorwiegend in Köln entstehen, verläuft der Wandel unterschiedlich. Besonders DLF Nova durchlebt schon heftigere Umbrüche, während die Veränderungen im klassischen Deutschlandfunk noch bevorstehen. Hier ist darauf zu achten, dass der interne Umbau konzeptionell durchdacht und sozialverträglich gestaltet wird.
Dafür wollen sich „DJV & Freunde“ auch in den kommenden Jahren stark machen und bei den anstehenden Personalratswahlen mit einer starken Liste und einem neuen Programm antreten. Diese Entscheidung musste reifen: „Im Sommer 2019 haben wir uns die Frage gestellt, wie es weiter gehen soll“, erzählt Schaltmeister Rüdiger Hagelstein. „Mit unserer Maxime von Sachlichkeit und Transparenz haben wir in den vergangenen Jahren in den Gremien eine gute Wirkung entfaltet. Wir sind in allen möglichen Kommissionen und Ausschüssen aktiv – vom monatlichen Informationsgespräch mit dem Intendanten bis zur Tarifkommission.“ Trotzdem gebe bei der Sichtbarkeit im Haus noch Luft nach oben. Vielen Kolleginnen und Kollegen sei nicht bewusst, was die DJVler und ihre Freunde beim DRadio bewegen. Und was sie bewirkt haben, seit die Liste, damals mit Nicola Balkenhol an der Spitze, 2008 den Vorsitz im ÖPR Köln geholt hatte.
Neustart im Team
Als Team haben es Rüdiger Hagelstein, Irene Groh und Frank Kämpfer nun in die Hand genommen, die Kölner Betriebsgruppe neu aufzustellen und durch die kommenden Monate bis zur Personalratswahl zu führen. Alle drei sind erfahrene Mitglieder des ÖPR und den Kolleginnen und Kollegen im Haus gut bekannt. Rüdiger Hagelstein wurde 2014 Mitglied im „Achterteam“, welches Problemstellen und Brandherde im Haus analysierte; inzwischen ist er stellvertretender Vorsitzender im Gesamtpersonalrat. Irene Groh ist stellvertretende ÖPR-Vorsitzende und Ingenieurin im Schaltraum. Beide arbeiten im Schichtdienst. Frank Kämpfer ist Redakteur für Neue Musik. Er hat sich darauf spezialisiert, die Personalversammlungen im Kölner Funkhaus zu moderieren und die DJV-Wandzeitung zu gestalten.
Gemeinschaftlich arbeitet die Gruppe um Groh, Kämpfer und Hagelstein am neuen Programm der Liste und bereitet sich auf den Wahlkampf vor. Nicht immer einfach, zum Brainstorming zusammenzukommen, denn die Kolleginnen und Kollegen unterliegen in ihren jeweiligen Bereichen verschiedenen Dienstplan-Systemen. Aber die gemeinsame Motivation ist klar, sagt Groh: „Wir sind überzeugt, dass wir für das Haus unverzichtbar sind.“
Für die kommenden Jahre steht der Teamgedanke im Vordergrund. Denn zu viel hat in jüngerer Vergangenheit auf zu wenigen Schultern geruht. „Gerade wird uns richtig bewusst, welche große Lücke der Weggang von Christel Boßbach gerissen hat. Ihr gebührt sehr großer Dank für ihr unerschütterliches, stets vielgleisiges Engagement“, resümiert Irene Groh. Christel Boßbach saß nicht nur im Örtlichen Personalrat und im Gesamtpersonalrat, sie war auch Mitglied der Tarifkommission, hielt den Draht zum DJV auf Bundes-, Landes- und Ortsebene.
Eine solche Konzentration auf eine Person soll es nicht mehr geben, sagt Frank Kämpfer: „Wir können nur als Team überzeugen und erfolgreich sein. Unser Ziel ist es, neben dem Personalrat auch als Betriebsgruppe dauerhaft aktiv und sichtbar zu sein.“ Dabei sehen die Macherinnen und Macher von „DJV & Freunde“ noch Potenzial im Haus.
Perspektivisch steht eine weitere Verjüngung an. Gerade unter den Jüngeren und Berufsanfängern gibt es welche, die neugierig sind. „Die versuchen wir, mit Geduld und viel Vertrauen für uns zu gewinnen“, erklärt Kämpfer. Unbedingt will die Betriebsgruppe auch die freien Kolleginnen und Kollegen wieder besser erreichen. Deren Lage wird künftig vermutlich nicht leichter werden. Vielleicht findet sich ja auch eine oder einer von ihnen für die angestrebte Freienvertretung.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2020.