JOURNALISTENTAG 2023 |

„Müssen das Publikum mehr wertschätzen“

Panel zum öffentich-rechtlichen Rundfunk
18. Dezember 2023, Steffen Heinze

Ausgerechnet die beiden Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fanden zunächst nicht den Weg in den mit rund 100 vorwiegend jungen Gästen gut gefüllten Akademie-Raum. Moderatorin Katrin Kroemer überbrückte die Wartezeit gewohnt unterhaltsam – und freute sich schon mal über die Anwesenheit von Joachim Huber, Leitender Medienredakteur beim Berliner Tagesspiegel und ausgewiesener Kenner der deutschen Medienszene. Schön, dass die erwarteten Experten noch auf dem Podium eintrafen und die Diskussion Fahrt aufnahm. Das sperrige Thema: „Ein ZDF für alle und bei der ARD ist alles Deins: Wie der Öffentlich-rechtliche Rundfunk um Zuschauer-Akzeptanz ringt“.

Wenn es um 58 Cent geht, geraten manche Gemüter ins Grübeln. Das machte auch die Gesprächsrunde beim Journalistentag in Dortmund deutlich. Wird doch die aktuelle Diskussion um die Öffentlich-Rechtlichen von der geplanten Gebührenerhöhung des Rundfunkbeitrags bestimmt, weniger von der Frage nach deren grundlegender Akzeptanz.

Eine Frau und drei Männer auf einem Podium. Der Mann ganz links weist auf ein Schaubild auf einem Bildschrm.
Wie das ZDF die Angebotsqualität sichert, erläuterte Jonathan Diehn (v.l.) auf dem Panel mit Stefan Raue, Katrin Kroemer und Dr. Joachim Huber. | Foto: Udo Geisler

An der Höhe der monatlichen Anhebung, wie sie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) soeben vorgeschlagen hat, fand Joachim Huber wenig auszusetzen. „Wichtig ist die Begründung: Warum bedarf es in den kommenden vier Jahren einer monatlichen Erhöhung um wenige Cent?“ In einer Zeit steigender Preise stünden die Sender in der Pflicht, den Mehrbedarf zu begründen. Immerhin würde die Erhöhung den Anstalten in der kommenden Gebührenperiode 2025 bis 2028 mehr als eine Milliarde zusätzlich in die Kassen spülen, bei bereits 8,5 Milliarden, die ARD, ZDF und Deutschlandfunk schon heute erhalten.

Vertrauen ins Programm

Huber forderte mehr Transparenz bei der Bedarfsanmeldung der Anstalten. Angesichts der Front der Ablehnung von derzeit sechs Ministerpräsidenten bzw. Landtagsfraktionen gegenüber einer Erhöhung der Haushaltsabgabe beobachte er auch eine abnehmende Zahlungsbereitschaft beim Publikum. Stefan Raue, seit 2017 Intendant des Deutschlandradios, teilte die Ansicht: „Auch der RBB-Skandal hat Spuren hinterlassen.“ Er machte aber auch deutlich, dass von einer Krise der öffentlich-rechtlichen Sender keine Rede sein könne. „Nie waren sie so erfolgreich wie heute. 70 Prozent der Bundesbürger vertrauen unseren Programmen.“

Ein in seinen Augen „erstaunlich hoher Wert“, den eine aktuelle Studie der Universität Mainz ausweise und der in den vergangenen Jahren stabil sei. Angesichts der weltpolitischen Lage finde die glaubwürdige und kompetente Berichterstattung der Sender ihren Ausdruck auch „in diesem Wert“, betonte Raue. Das gelte auch für das jüngere Publikum, das sich zunehmend vom linearen Fernsehen verabschiede und sich stattdessen für Streamingdienste entscheide – und dennoch auf verlässliche Informationen setze.

„ZDF in Marktführerschaft verknallt“

Das bestätigte auch Jonathan Diehn, Leiter zentrale Aufgaben in der Hauptabteilung Programmplanung beim ZDF. In Mainz, berichtete Diehn, sei die hohe Akzeptanz kein Selbstgänger. Im Gegenteil: Seit Juni dieses Jahres intensiviere das ZDF den Dialog mit dem Publikum. Motto eines neuen Online-Panels: „ZDF mitreden. Deine Meinung zählt.“ Unter inzwischen 36.000 Teilnehmenden befrage der Sender wöchentlich ausgewählte Zuschauerinnen und Zuschauer nach ihren Meinungen und Wünschen. Diehn: „Dafür machen wir Werbung auf allen Kanälen.“

Skepsis meldete Joachim Huber an. „Habe mich da auch angemeldet und bin schnell wieder ausgestiegen.“ Die Ergebnisse hätten, so seine Beobachtung, „keinen sichtbaren Einfluss aufs Programm“. Er sehe bislang „null Auswirkung“. Vielleicht liege es daran, dass das ZDF „in seine Marktführerschaft verknallt ist“. Diehn erläuterte allerdings, dass dies Ergebnisse der Befragung erst mit Abstand umzusetzen wären – und dann wohl auch weniger im Fernsehen spürbar würden als online.

Selbstkritische Forderung

Stefan Raue hatte zuvor in einer Diskussion vor einem „gefährlichen Bedeutungsverlust journalistischer Arbeit“ gewarnt. Gleichwohl sieht er noch keinen „Verlust an Zugkraft der Öffentlich-Rechtlichen“. Das zeige sich zum Beispiel in der Vielzahl an Bewerbungen junger Leute beim DLR, aber auch in der durchschnittlichen Online-Nutzung und Hördauer von täglich 18 Minuten, insbesondere bei Hintergrund-Beiträgen. Neue Formate, dazu mehr Podcasts und neues Denken bei Programmmachern förderten die Hörerbindung beim DLR. Raues selbstkritische Forderung: „Wir müssen das Publikum mehr wertschätzen.“||

Ein Beitrag in Ergänzung zu JOURNAL 4/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2023.