Der Bundesnachrichtendienst (BND) muss sich auch im Ausland an das Grundgesetz halten. Zwar sei eine Auslands-Fernmeldeaufklärung grundsätzlich möglich, urteilte das Bundesverfassungsgericht im Mai. Die derzeit praktizierte weltweite, anlasslose Massenüberwachung von Mails und Telefonaten durch den BND verstoße aber gegen das Telekommunikationsgeheimnis (Art.10 GG) und die Pressefreiheit (Art. 5 GG). Damit gab das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz statt (Az. 1 BvR 2835/17).
„Das Bundesverfassungsgericht hat sich damit klar für die Pressefreiheit und den Informantenschutz ausgesprochen“, lobte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Das Urteil sei ein „Sieg auf ganzer Linie“, sagte er und betonte: „Ein Geheimdienst, der die Demokratie schützen soll, darf nicht wichtige demokratische Grundwerte mit Füßen treten.“
Schutzvorkehrungen für Journalisten fehlen
An der derzeitigen Ausgestaltung der Auslands-Fernmeldeaufklärung kritisierten die Richter unter anderem, die Überwachung sei „nicht auf hinreichend bestimmte Zwecke begrenzt und durch diese kontrollfähig strukturiert“. Auch fehle es an verschiedenen Vorkehrungen zum Schutz besonderer Berufsgruppen wie Journalisten oder Rechtsanwälte.
In Deutschland ist die Kommunikation von Journalisten gesetzlich geschützt – unter anderem, um den Quellenschutz zu gewährleisten. Das 2017 in Kraft getretene BND-Gesetz folgte jedoch der Prämisse, dass dieser Schutz nicht für Ausländer im Ausland gelte. Auf dieser Grundlage wertet der BND mit Hilfe spezieller Suchbegriffe („Selektoren“) Datenströme aus Mails, Telefonaten und Chats aus. Seine Erkenntnisse teilt der BND auch mit den Nachrichtendiensten anderer Länder. Journalistinnen und Journalisten sehen darin die Gefahr, dass Menschen aus Angst vor Enttarnung und Repressalien keine Informationen mehr weitergeben.
Geklagt hatte Reporter ohne Grenzen zusammen mit mehreren ausländischen Journalisten, die über Menschrechtsverletzungen in Krisengebieten oder autoritär regierten Staaten berichten, sowie einem Rechtsanwalt. Unterstützt wurde die Klage vom DJV, der Gesellschaft für Freiheitsrechte, der dju in ver.di, dem Netzwerk Recherche und dem Journalisten-Netzwerk n-ost.
Der Fall warf unter anderem die Grundsatzfrage auf, ob deutsche Behörden im Ausland überhaupt an das Grundgesetz gebunden sind. Nun ist klar: Der deutsche Staat muss das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit auch jenseits der Landesgrenzen wahren. Mit seinem Grundsatzurteil machte das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass der BND die Datenströme ohne konkreten Anlass nicht überwachen darf. Erstmals stellten die Richter klar, dass die in der Verfassung verankerten Grundrechte auch für Ausländer im Ausland gelten.
Bis 2021 überarbeiten
Der Gesetzgeber hat nun bis spätestens Ende 2021 Zeit, das Gesetz zu überarbeiten, um die Auslandsaufklärung verhältnismäßig und verfassungsgerecht zu gestalten.
Dafür macht das Gericht klare Vorgaben: So darf eine anlasslose Auslandsüberwachung nur in bestimmten Fällen möglich sein. Verletzliche Personengruppen wie Journalistinnen und Journalisten müssen besonders geschützt werden. Erforderlich seien auch ausreichende Kontrollmechanismen. So forderten die Verfassungsrichter eine unabhängige „gerichtsähnlichen Kontrolle“ für die BND-Auslandsüberwachung sowie eine zusätzliche administrative Kontrolle, die aus eigener Initiative stichprobenmäßig den gesamten Prozess überwachen kann.
Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) begrüßte laut epd Medien die Entscheidung im Grundsatz. Es sei gut, „dass das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der Grundrechte anmahnt und den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und der Pressefreiheit bei Überwachungsmaßnahmen auch auf Ausländer im Ausland erstreckt hat“, erklärte sie. Das Urteil bedeute nicht das Aus für die strategische Auslands-Fernmeldaufklärung des BND. Aber die verhältnismäßige Ausgestaltung mit einer klaren Bestimmung des Überwachungszwecks und verbesserten Kontrollmöglichkeiten umzusetzen, sei eine große Herausforderung.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2020.