Aufwärmrunde mit Marie Illner (rechts vorne). | Foto: Corinna Blümel
Aufwärmrunde mit Marie Illner (rechts vorne). | Foto: Corinna Blümel
 
Junge

Mut zum #durchstarten

70 junge Journalistinnen und Journalisten bei #durchstarten19 in Herne
15. Juni 2019, Corinna Blümel

Der Nachwuchs hat kein Interesse mehr am journalistischen Beruf und arbeitet lieber in einer Pressestelle? Das mag stimmen, bei #durchstarten19, der Info- und Netzwerkveranstaltung für Studierende, Volos, Freie sowie Jungredakteurinnen und -redakteure am 11. Mai in Herne zeichnete sich allerdings ein anderes Bild ab. Auf die Frage „Journalismus oder PR“? sammelt sich nur eine Handvoll junger Menschen auf der Seite derer, die künftig für Unternehmen, Verwaltungen oder Organisationen sprechen wollen, während es sich auf der Journalismus-Seite knubbelte.

Die Frage nach der Wunschzukunft war eine von mehreren, mit denen Marie Illner vom Fachausschuss Junge Journalistinnen und Journalisten (FA3J) die Gruppe am Morgen in Bewegung und in Kontakt brachte, nachdem der Landesvorsitzende Frank Stach, der Fachausschussvorsitzende Arne Pöhnert und der Hochschulbeauftragte Stanley Vitte die Besucherinnen und Besucher in den Innovations- und Gründerzentren Herne begrüßt hatten.

„Ihr werdet gebraucht“

Zwar sei der Einstieg früher einfacher gewesen, erinnerte sich Stach, aber gerade jetzt gelte: „Ihr werdet gebraucht.“ Der Beruf sei viel technischer geworden. Die heutigen Anforderungen in den crossmedial aufgestellten Redaktionen böten ein gutes Arbeitsfeld für den Nachwuchs. Und auch wenn Journalistinnen und Journalisten längst Allroundtalente sein müssten, sei der Beruf nach wie vor attraktiv.

Begrüßung im Foyer. | Foto: Peter Dettmer
Begrüßung im Foyer. | Foto: Peter Dettmer

Der FA3J hat das Format #durchstarten im Vorjahr ins Leben gerufen und freute sich, dass die Veranstaltung in diesem Jahr noch mehr Teilnehmende anlockte. Rund 70 junge Journalistinnen und Journalisten wollten sich über wichtige Fragen zum Berufseinstieg informieren: Wie komme ich an ein Volontariat, wie finde ich Zugang zu Redaktionen oder Pressestellen? Was muss ich wissen, wenn ich mich selbstständig machen will?

Sieben verschiedene Themen standen auf dem Programm, die größtenteils zweimal hintereinander liefen und viel Raum für Information und Diskussion boten: Christian Weihe, Justiziar des DJV-NRW, erläuterte die rechtlichen Grundlagen zum EU-Urheberrecht. Das Thema, das in den vergangenen Monaten im Netz für heftige Debatten gesorgt hatte, wurde hier sachlich diskutiert, nachdem Weihe umfassend erläutert hatte, was dem Urheberrecht unterliegt, was es mit den Lizenzen auf sich hat, wer für Verletzungen haftet und wer eben nicht. Bestimmte Inhalte sind auch ohne Lizenzvereinbarung zulässig: Zitate, Kritiken und Rezensionen sowie Parodien und Nachahmungen. Und ganz wichtig: Das Gesetz betont, dass die neuen Regelungen „nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen“ dürfen.

Viele Details und hohen Nutzwert bot auch der Vortrag von Gründungsberaterin Susanne Stegemann von der Wirtschaftsförderung Herne. Ihre dringendste Empfehlung: „Lasst euch beraten!“ Als erste Anlaufstelle empfahl sie die Startercenter NRW, die übers ganze Land verteilt sind (www.startercenter.nrw). Hier gibt es unter anderem individuelle Einzelberatung, Seminare und Workshops sowie Informationen zu Förderprogrammen und weiteren Themen, die Stegemann in der Dreiviertelstunde nur anreißen konnte.

Wer lieber in Festanstellung arbeitet, war einen Raum weiter an der richtigen Adresse. Anna Lenja Hartfiel, Chefredakteurin des studentischen Magazins Unicum, gab Tipps für Bewerbungen. Dabei übersprang sie den Teil, „den Ihr in jedem Ratgeber nachlesen könnt“, und kam direkt zu spezielleren Punkten, etwa der Frage, wieviel Kreativität einer Bewerbung guttut („Fragt euch, welchen Mehrwert sie in eurer Bewerbung bietet“) und was zu tun ist, wenn man noch keine Arbeitsproben vorweisen kann („Ihr könntet einen Beispieltext für das Medium schreiben, für das Ihr euch bewerbt“).

Den Dialog suchen

Um den Dialog zwischen Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit ging es im Workshop von Lena Heimers, die in der Pressestelle einer Kommune arbeitet und sich im Fachausschuss Presse- und Öffentlichkeitsarbeit engagiert. Jede Seite des Schreibtischs habe ihre Vor- und Nachteile im Berufsbild, erklärte sie und zeigte auf, wie sich beide Arbeitsfelder in den vergangenen Jahren verändert und entwickelt haben.

„Keiner kann ohne den anderen.“ Davon ist Heimers überzeugt. Sie warb dafür, dass Journalistinnen und Journalisten nicht nur Informationen aus der Pressemitteilung „recyceln“, sondern wirklich nachbohren. Manche Pressestelle sei durchaus froh, auf Nachfrage mehr Informationen herausgeben zu können, ließ sie erkennen. Eine eigene Haltung sei im Übrigen auch in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit möglich – etwa durch die Wahl des Arbeitgebers.

Welchen Einfluss die Entscheidung für einen Arbeit- oder Auftraggeber oder auch nur einen Praktikumsplatz hat – das diskutierte auch der Workshop von Nora Hespers, in dem Haltung das zentrale Thema war. Im Gespräch mit den jungen Kolleginnen und Kollegen ermunterte die freie Journalistin dazu, bewusst mit möglichen Bruchstellen und Herausforderungen beim journalistischen Arbeiten umzugehen.

Sollten freie Journalistinnen und Journalisten Aufträge auch mal ablehnen? Und welche Rolle spielen dabei das angemessene Honorar und der Spaß oder die Überzeugung von der Wichtigkeit eines Themas? „Zu entscheiden, für welches Geld oder warum ich was mache, hat auch mit Haltung zu tun“, erklärte Hespers. Das habe sie auch erst lernen müssen – „das ist ein Prozess“.

Plädoyer für Transparenz

Wie stark spielt die persönliche Meinung in Beiträge hinein? Verändert es den Blick auf bestimmte Themen, wenn man zum Beispiel mal ein Praktikum bei Greenpeace in der Pressestelle gemacht hat? Oder wenn man den Presseausweis für Journalistenrabatte nutzt? Solche Details „werden von Kritikern auch gerne mal aufgegriffen“, warnte Hespers. Transparenz ist erforderlich, stößt im Alltag gerade bei kurzen Beiträgen aber schnell an Grenzen der Machbarkeit, wie die Diskussion zeigte. Blogs und Podcasts bieten Redaktionen die Möglichkeit zu erklären, warum sie Themen wie bearbeiten und warum sie vielleicht auch mal was nicht aufgreifen oder anders, als es das Publikum erwartet.

Explizit mit Podcasts befasste sich der Workshop von Thorsten Runte. Allerdings näherte er sich dem Thema vor allem von der technischen Seite. So erläuterte er, welche Geräte und welches Zubehör er für welche Einsätze oder Arbeitsschritte nutzt, und gab Hinweise zu Software und Apps.

Storytelling für Instagram

Einen anderen Weg wählten WDR-Redakteurin Verena Lammert und Presenterin Farah Schäfer, die den Instagram-Kanal @mädelsabende vorstellten. Sie erwähnten zwar auch ein paar praktische Tools, erzählten aber vor allem darüber, was hinter dem WDR-Projekt – einem Ableger von Frau TV – steckt. Nach einer kurzen Präsentation mit Beispielen schilderten sie im Wechsel, wie das Team Formen journalistischen Storytellings entwickelt hat, welche Formate funktionieren und wie intensiv sie Themen vorbereiten und mit ihrer Community kommunizieren. Aus kleinen Anfängen ist so ein rund 20-köpfiges Team gewachsen.

Foto: Corinna Blümel
Foto: Corinna Blümel

Es gehe darum, der schönen Scheinwelt von Influencerinnen und Influencern etwas entgegenzusetzen. Der Kanal will junge Frauen in ihrer Lebenswelt erreichen, mit schönen Themen wie Freundschaft, Zukunft und Freiheit, aber auch mit schwierigen wie Brustkrebs, Missbrauch, Depressionen oder Gewalt gegen Frauen. Farah Schäfer ist eine von vier Presenterinnen, die nicht sich in den Mittelpunkt stellen, sondern stattdessen jede Woche ein zentrales Thema aus der Lebenswelt junger Frauen journalistisch aufbereiten – jeden Tag unter einem anderen Aspekt. Transparenz und Glaubwürdigkeit spielen dabei eine wichtige Rolle, wie Verena Lammert erklärt: „Lieber mal einen Fehler machen und das transparent auf dem Kanal korrigieren, als dass wir uns zu sehr von vornherein einschränken.“

Die Möglichkeit der flexiblen Programmplanung kam gut an, die Sessions fanden auch in der jeweils zweiten Runde interessierte Teilnehmer. Federführend bei der Programmplanung war Oskar Vitlif vom FA3J. Der Fachausschuss hatte dabei auch darauf geachtet, dass zwischen den Einheiten und beim abschließenden Grillen ausreichend Raum fürs Netzwerken blieb. So machten neben den Referentinnen und Referenten auch die persönlichen Gespräche Mut, den direkten Gang in die Redaktionen zu wagen. „Man muss keine Superheldin sein, um ein klassisches Volontariat oder den Einstieg in redaktionelle Arbeit zu finden“, stellt eine der Teilnehmerinnen fest.

Für drei Kolleginnen bot der Netzwerktag ein zusätzliches Plus: Mit ihrem Dreh am Glücksrad gewann Svenja Jesse einen DJV-Seminargutschein, das einwöchige Volo-Seminar mit Verpflegung im Haus Busch für Lea Griese und als Hauptpreis gab es eine Jahresmitgliedschaft im DJV-NRW für Inga Kausch. Kein Zufall, dass die Gewinnerinnen weiblich waren: Frauen stellten sowohl unter den Referentinnen und Referenten sowie unter den Teilnehmenden die Mehrzahl.

Der Fachausschussvorsitzende Arne Pöhnert äußerte sich am Nachmittag erfreut: „Die positive Resonanz motiviert uns, auch im nächsten Jahr wieder ein spannendes Programm auf die Beine zu stellen.“

Für viele der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es der erste richtige Kontakt zum DJV-NRW, und der war so überzeugend, dass am DJV-Stand etliche Gespräche über die Konditionen der Mitgliedschaft geführt wurden.||

Weitere Fotos und Videos unter: djv-nrw.de/durchstarten19.

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2019.