THEMA | Wahlberichterstattung

„Die Stärke regionaler Rechercheteams hochhalten“

20. Dezember 2021, Carmen Molitor
Foto: Martin Jepp
Foto: Martin Jepp

Prof. Dr. Marlis Prinzing ist Professorin an der Hochschule Macromedia und leitet den Studiengang Journalismus. Im Gespräch mit dem JOURNAL äußert sie sich zu den Aufgaben des politischen Journalismus, zu Stärken der Wahlberichterstattung, wegbrechenden Geschäftsmodellen und ihren Bauchschmerzen wegen falsch verstandener Ausgewogenheit.

JOURNAL: Was unterscheidet politische Redaktionen von anderen Ressorts?

Prof. Dr. Marlis Prinzing: Politische Redaktionen sind diverser als andere journalistische Bereiche aufgestellt. Im Wirtschaftsjournalismus finde ich beispielsweise vor allem Menschen mit wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund; das sind Volkswirte oder Betriebswirte. Im Politikjournalismus ist das Feld breiter: Da gibt es Menschen mit soziologischem, historischem oder politikwissenschaftlichem Hintergrund und aus anderen Professionen.

Ein anderer Unterschied bezieht sich auf die Zielgruppe. Im Sportjournalismus schreibe ich zum Beispiel für Leute, die oft eine sehr tiefe Expertise haben – zumindest, was ihren Verein oder ihre Sportart anbelangt. Das ist im Politikressort teils anders; dem breiten Publikum fehlt einiges an Grundwissen, angefangen damit, wie das Wahlsystem überhaupt funktioniert. Das heißt, ich habe als Politikjournalist oder Politikjournalistin einen viel umfassenderen Auftrag, diese Funktionsweisen zu erklären, als ich das in anderen Ressorts habe.

JOURNAL:Sie bezeichnen den politischen Journalismus als die „Mutter aller Journalismen“. Was macht ihn so besonders im immer vielfältiger werdenden Chor der „Journalismen“?

Prinzing: „Mutter aller Journalismen“ bedeutet einerseits, dass vieles, das im politischen Journalismus vorkommt, auch in anderen Berichterstattungsfeldern auftaucht und dort seine Spuren hinterlassen hat. Politische Berichterstattung ist eine Querschnittsaufgabe, die in viele andere Themenbereiche hineinragt.

Andererseits geht es um den Anspruch, innerhalb einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Orientierungsfunktion zu liefern und die Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, aufgeklärt und selbstbestimmt zur Wahl gehen zu können. Das ist eine auch meritorische Aufgabe, die in einer demokratischen Gesellschaft zumindest als Angebot zur Verfügung stehen muss, ob sie entsprechend nachgefragt wird und sich rechnet oder nicht.

Der politische Journalismus hat insgesamt eine gewaltige Aufgabe. Er erklärt die Rahmenbedingungen demokratisch-politischen Handelns und berichtet über die Akteure im politischen System, auf der bürgerschaftlichen Ebene oder im Verwaltungsbereich. Er will dem Publikum möglichst kompetent, quellengestützt und vor allen Dingen auch verständlich und gleichzeitig eingängig zeigen, was da passiert. Er ordnet ein, kommentiert. Das heißt also, jene, die politischen Journalismus betreiben, sind diejenigen, die analysieren und Position beziehen. Sie wirken teilweise auch alarmierend oder seismografisch.

JOURNAL:Wie hat sich diese Aufgabe über die Jahrzehnte verändert?

Prinzing: Im Wesentlichen ist der politische Journalismus vom Auftrag her und von dem, was er will, beständig geblieben – sowie praktisch auch das politische System unserer Demokratie und seine Säulen. Auf der anderen Seite ist unsere Gesellschaft eine digitale Mediengesellschaft geworden und die Nutzungsgewohnheiten des Publikums haben sich verändert.

Man muss also unterscheiden zwischen dem, was politischen Journalismus definitorisch ausmacht und dem Umfeld, in dem er sich heute befindet und auf das er reagieren muss. In diesem Sinne ist er weiterhin eine Art von Journalismus, der sich kritisch-distanziert oder aber teilweise auch engagiert mit politischen Absichten, Ereignissen und Themen befasst.

JOURNAL: Im Wahlkampf schienen die Politikressorts gefühlt mehr über die Wahlkampfpatzer, Machtspiele und Kommunikationsfehler von Armin Laschet, Olaf Scholz oder Annalena Baerbock zu berichten als über die inhaltlichen Ziele der Parteien. Teilen Sie diese Analyse?

Prinzing: Sie treffen damit tatsächlich einen wunden Punkt. Vom idealen Verständnis eines professionellen Politikjournalismus ausgehend, haben wir drei Bereiche, die zu bedienen sind: Polity, Policy und Politics. Im Polity-Bereich steht das politische System im Zentrum, im Policy-Bereich geht es um die Politikinhalte und im Politics-Bereich um die Politikverfahren. Sehr oft überwiegt beim politischen Journalismus der Politics-Bereich. Da geht es um irgendein Gerangel oder um die Frage, warum lacht der Kanzlerkandidat oder was sind die Quellen, die die Kanzlerkandidatin für ihr Buch herangezogen hat. Es ist richtig, dass so etwas thematisiert wird. Aber es darf nicht das Einzige sein.

JOURNAL: Welcher der drei Themenbereiche ist das Stiefkind?

Prinzing: Im Polity-Bereich könnte man deutlich mehr machen. Wie ja schon gesagt, muss ich im Politikjournalismus deutlich mehr Grundsätzliches erklären als in anderen Ressorts. Zum Beispiel so etwas wie die Richtlinienkompetenz von Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin, das Wahlsystem oder die Frage, warum jetzt nach der Wahl ein deutlich umfangreicheres Parlament zusammenkommt als bislang. Dieser Erklärungsbereich, der auch den gesetzten Rahmen erläutert, ist stark unterbelichtet. Das war auch bei der aktuellen Wahlberichterstattung so.

JOURNAL: Welche Rolle spielte im Wahlkampf denn Ihrer Beobachtung nach der Policy-Bereich, der sich den Inhalten widmet?

Prinzing: Er wurde – nicht durchgängig, aber teilweise – dieses Mal sehr gründlich behandelt, beispielsweise bei Themen, wie Armut, Klima, Wohnungsknappheit, Mieten, Verkehrspolitik und so weiter. Das haben Rundfunkmedien und einige Zeitungen, die sich dem Informationsjournalismus verpflichtet sehen, sehr sorgfältig gemacht und ein fundiertes Angebot präsentiert. Eine andere Frage ist, ob das Publikum dieses Angebot tatsächlich annimmt. Wir können niemandem aufzwingen, dass er sich jetzt gefälligst mit Thema A oder mit Thema B beschäftigt. Aber, dass das Angebot teilweise so gut war, ist rückblickend etwas Positives an der Berichterstattung über diese Bundestagswahl.

JOURNAL: Zu Beginn des Wahlkampfs haben erneut zwei Rezo-Videos für Aufregung gesorgt, die die „Zerstörung der CDU“ proklamierten. Was trauen Sie solchen politischen Formaten von Internet-Influencerinnen und -Influencern zu?

Prinzing: Mancher kann sich von Rezo eine Scheibe abschneiden, was die Vermittlungsleistung anbelangt. Aber Rezo produziert seine Videos, wann er gerade Lust hat oder es für notwendig hält, dieses zu tun. Im großen Unterschied dazu können und müssen wir an politischen Journalismus die Erwartung stellen, dass er kontinuierlich gemacht wird und aktuelle Entwicklungen abbildet. Viel interessanter finde ich junge Formate wie beispielsweise News-WG, Y-Kollektiv oder Strg_F. Die erbringen im Netz kontinuierlich hervorragende journalistische Leistungen und erklären Politik auf eine neue, frische Art. Aus der Ecke kann ich mir viel mehr beispielhafte Impulse vorstellen.

JOURNAL: Wie sehen Sie den Stellenwert von investigativem Politikjournalismus, der sich immer internationaler aufstellt und so weltweit Skandale aufdecken kann?

Prinzing: Die große Stärke dieser internationalen oder medienhausübergreifenden Recherchen ist, dass man verschiedene Blickwinkel auf ein Thema erhält – wie beispielsweise bei den Crypto-Leaks, zu denen Teams von Washington Post, ZDF und dem SRF in der Schweiz recherchiert haben. Mehr noch: Solche Themen lassen sich überhaupt nur erfassen, wenn man den Blick über nationale Grenzen hinaus richtet. Ich finde es hervorragend, dass solche Rechercheverbünde möglich sind – und leistungsstark.

JOURNAL: Von deren Budgets und der Personalausstattung können regionale Medien wohl nur träumen …

Prinzing: Wir brauchen das „Sowohl-als-auch“: Auch im Regionalen müssen uns Recherchen etwas wert sein. Bei aller Großartigkeit der internationalen und medienhausübergreifenden Recherchen müssen wir weiterhin die Stärke der Rechercheteams in den regionalen Medien hochhalten und ihre Handlungsfähigkeit sichern.

Die Preisträgerinnen und Preisträger des Wächterpreises zeigen, welche Recherchepower auch bei Regionalmedien ist – und was wir alles nicht wüssten, wenn es diese Recherchepower nicht gäbe. Dieses Jahr wurde unter anderem ein Journalistenteam vom Wiesbadener Kurier ausgezeichnet, das über eine systematische persönliche Bereicherung bei der Arbeiterwohlfahrt im Kreisverband in Wiesbaden berichtet hat. Hätten sie dies nicht herausgefunden und wären sie nicht vor Ort drangeblieben, dann wäre dieser Skandal unerzählt geblieben und der Missstand bestünde vielleicht immer noch.

JOURNAL:Eine oft gehörte Forderung an den politischen Journalismus ist Ausgewogenheit. Die öffentlich-rechtlichen Sender untersagen deshalb in Wahlkampfzeiten politisches Engagement ihrer Redakteurinnen und Redakteure und interviewen nahe am Wahltermin die Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten nicht. Haben solche Bemühungen noch ihre Berechtigung?

Prinzing: Ich habe mit dieser Art der Interpretationen von Ausgewogenheit gar keine Mühe. So will man sicherstellen, dass man bestmöglich den Bildungs- und Informationsauftrag erfüllt. Das sind transparente Regeln, man weiß ganz genau, was nach diesen Regeln möglich ist und was nicht.

Ausgewogenheit ist für mich dann problematisch, wenn Journalisten oder Journalistinnen sie mit „False Balance“ verwechseln: Wenn sie auch den Bereich des gesicherten Wissens immer wieder in Frage stellen und vorgebliche „Ausgewogenheit“ herstellen, indem extremen Randmeinungen Raum gegeben wird. Da kriege ich Bauchweh. Wir brauchen ja auch nicht jedes Mal, wenn man über die Erde spricht, einen, der behaupten darf, sie sei keine Kugel, sondern eine Scheibe.

JOURNAL:Wie sehen Sie die Entwicklung der Berichterstattung über die AfD? Da war ja 2017 vor der Wahl eine große Unsicherheit zu spüren.

Prinzing: Positiv und professioneller. Man spielt nicht mehr wie früher fast jedes Stöckchenspiel der AfD mit und empört schnell über deren Provokationen. Es wird mehr eingeordnet, was es für unsere Gesellschaft bedeuten könnte, wenn sie auf die Art und Weise umgestaltet werden würde, wie diese Partei es plant. Darin sehe ich einen Qualitätszuwachs, von dem ich allerdings gern noch mehr hätte. Denn teilweise verhält es sich weiterhin anders, wenn über das Umfeld der AfD, also beispielsweise die Querdenkenbewegung, berichtet wird. Deren Ansichten gibt man zu viel Raum. Damit trägt man auch zu etwas bei, dass das Grundanliegen des Populismus ist: die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Im professionellen Umgang damit ist noch Luft nach oben.

JOURNAL: Je geschickter politische Akteure wie die AfD die sozialen Medien bespielen, desto weniger brauchen sie noch Politikjournalismus, um ihre Botschaften zu transportieren. Muss man sich einfach damit abfinden, dass ein Teil der politischen Kommunikation nur noch ohne Gatekeeper geschehen wird?

Prinzing: Die Bedeutung von politischem Journalismus schwindet durch diese Beobachtung nicht, sie wird noch deutlich größer. Denn die Kernleistung des politischen Journalismus bleibt weiterhin bestehen: Das ist, eine Einordnung zu liefern, für geprüftes Wissen zu sorgen und – das ist an der Stelle sehr wichtig – selber in den Dialog mit einem Publikum zu treten. Man muss diese Publikumsorientierung, die Community-Funktion, als eine ganz zentrale journalistische Funktion betrachten. Nicht nur im politischen Journalismus, sondern auch in anderen Berichterstattungsfeldern. Da hat Journalismus schon zugelegt, kann aber noch mehr machen.

JOURNAL: Was konkret?

Prinzing: Beispielsweise, dass man transparent macht, warum man welche Gäste in eine bestimmte politische Runde einlädt oder warum man so und nicht anders über ein bestimmtes Thema berichtet. Zu mehr Medienkompetenz trüge auch bei, dass man die Funktionsweise der Emotionsmedien besser klarmacht, damit Bürgerinnen und Bürger wissen, dass sie beispielsweise auf Facebook oder Youtube Teil einer Emotionsmaschinerie sind, die letzten Endes nur denen dient, die mit diesen Plattformen Gewinn machen. Wenn man weiß, dass man da nur ein Rädchen ist, das sich bei einem ganz anderen Spiel mit dreht, ändert sich vielleicht die Einstellung.

Die Mainzer Langzeitstudie über Medienvertrauen hat in sehr eindeutigen Befunden belegt, dass wir zwar an den Rändern Menschen haben, die einfach nicht mehr für eine professionelle Berichterstattung erreichbar sind, aber auch viele vor diesen Rändern in Grauzonen, die verunsichert sind. Unser Ziel muss sein, ihnen durch eine gut verständliche Einordnung das Gefühl zu geben, dass man sie nicht für verloren hält, sondern, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind.

Diese Studien zeigen auch, dass ungefähr ein Viertel der Befragten das Gefühl hat, dass vieles, was in den Medien berichtet wird, mit ihnen und ihrer Lebenswirklichkeit wenig zu tun hat. Das macht es nachvollziehbar, wenn sie sich populistischen Angeboten zuwenden, die sich angeblich für sie zu interessieren scheinen. Dreht man diesen Befund um, dann steckt in ihm letzten Endes ein Plädoyer für einen fundierten und gut gemachten Lokal- und Regionaljournalismus.

JOURNAL: Wie kann man so eine Erkenntnis den Verlegern näherbringen? Genau das sind doch Bereiche, wo immer mehr gespart wird.

Prinzing: Es muss auf der Seite des Medienmanagements ein unternehmensethisches Bewusstsein dafür geben, dass man eine besondere Leistung für die Gesellschaft erbringt. Dazu gehört die Frage, ob ich meine Redaktionen, meine Journalisten und Journalistinnen in Arbeitsverhältnissen halte, wo es allein durch den Personal- und Ressourcendruck kaum noch möglich ist, ein wirklich gutes Produkt abzuliefern.

Wenn wir in einer beliebigen anderen Branche erleben würden, dass die Arbeitsumstände sich so drastisch verschlechtern und der Druck so drastisch zunimmt, dann würde ganz bestimmt im Wirtschaftsjournalismus einige ganz große Themen daraus gemacht werden. Da haben wir seit langem eine Schieflage in Bezug auf die Berichterstattung über Medien selbst. Wie drastisch und gravierend diese Schieflage ist, haben wir kürzlich daran gesehen, dass die Investigativ-Recherche rund um den ehemaligen BILD-Chefredakteur Julian Reichelt um ein Haar nicht erschienen wäre. Da ging es neben Geld auch um innere Pressefreiheit. Das zeigt nochmals: Wir haben da ein richtiges Problem. Wir müssen ein Modell finden, einen kritischen Medienjournalismus zu installieren, der nicht die Angst haben muss, dass ihm die ganze Recherchearbeit vom eigenen Verleger in die Tonne gekippt wird.

JOURNAL: Es gibt ja erste Modelle, einen gemeinnützigen Journalismus zu installieren, der diese Sorgen dann nicht mehr hätte …

Prinzing: Das sind wichtige Impulse für neue Varianten der finanziellen Absicherung. Wir brauchen einen Informationsjournalismus, der eine Dienstleistung an einer demokratischen Gesellschaft ist, also einen Public Service. Dieses Prinzip sollte man  über die öffentlich-rechtlichen Sender hinaus ausdehnen auf einen professionellen Informationsjournalismus, egal welchen Ausspielkanals – also auch im Print oder Online.

Das ist ferner ein Learning aus der Corona-Pandemie. Denn dort haben wir ja gesehen, dass zudem privat finanzierte Medien wirklich Großartiges geleistet haben und gleichzeitig aber einen Teil der Redaktionen in Kurzarbeit schicken mussten. Auch ein Beleg dafür, dass das bisherige Geschäftsmodell einer dringenden Erneuerung bedarf, um die Leistung weiterhin zu honorieren und zu gewährleisten. Zum Beispiel über einen Anteil am Gebührenkuchen. Vor allen Dingen muss endlich vermittelt werden, dass wir als Bürger und Bürgerinnen mit Public Service Gebühren – unabhängig wie sie verteilt werden – letztlich einen Solidarbeitrag zu einer demokratischen Gesellschaft leisten, deren Rückgrat der garantierte Zugang zu relevanten Informationen ist.

Was halten Sie von Formen des politischen Journalismus, in der Personen im Mittelpunkt stehen – wie die sechsteilige Doku-Serie des NDR „Kevin Kühnert und die SPD“ oder die Dokumentation „Macht. Wechsel. – Der Kampf ums Kanzleramt“ des ZDF? Ist es ein Format, das Zukunft hat?

Prinzing: Es ist für viele im Publikum einfacher, wenn man ihnen Geschichten über Personen und auch stärker über Emotionen erzählt. Das war lange im Informationsjournalismus relativ verpönt. Allerdings lassen sich manche Themen nur eingängig erzählen, wenn man auch auf Empathie setzt. Das hat sich mittlerweile zunehmend durchgesetzt; so werden über Personen und Emotionen auch politische Geschichten erzählt.

Die Personalisierung geschieht übrigens auf beiden Seiten: Auch Reporterinnen und Reporter werden öfter als Persönlichkeiten in den Beiträgen sichtbar. Das Medienmagazin Zapp beispielsweise hat jetzt deutlich häufiger als früher eine Leit-Reporterin oder einen Leit-Reporter, die oder der durch den Beitrag führt. Ich finde gut, dass man das eine oder andere ausprobiert und nicht in den alten Formaten verharrt. Man muss ja sehen: Mit dieser Wahl sind 16 Amtsjahre von Angela Merkel zu Ende gegangen. Und wir haben parallel dazu Talkmaster wie Sandra Maischberger, Anne Will und andere, die teilweise länger als Merkel „im Amt“ sind. Dies Formate haben auch über ihre Reichweite durchaus eine Berechtigung. Doch wenn es jetzt zusätzlich andere Experimentier-Ideen gibt, nützt uns das doch allen nur.

JOURNAL: Zum Schluss würde ich gerne wissen, wen Sie zu den wichtigsten politischen Journalistinnen und Journalisten zählen? Vielleicht auch ein Satiriker wie Jan Böhmermann, der politische Themen sehr erfolgreich ganz neu aufbereitet?

Prinzing: Durch seine satirische Herangehens- und Erzählweise leistet Böhmermann sicher einiges – ebenso Formate wie „Die Anstalt“ oder die „Heute Show“, die ernsthafte Themen, von denen viele Leute erfahren sollten, mit Mitteln der Unterhaltung aufbereiten.

Ich möchte keine Person total exponieren, weil es viele gibt, die wirklich sehr guten politischen Journalismus machen. Ob sie den in Kriegs- und Krisengebieten umsetzen, ob sie das in Investigativ-Teams machen oder aber auch in einer kontinuierlichen Parlamentsberichterstattung, in der Moderation von einer politischen Talkshow oder in der „News-WG“. Da gibt es ganz viele hervorragende Leute.

JOURNAL: Ich höre heraus, dass Sie eine gute Zukunft für den politischen Journalismus sehen, weil er viele gute neue Ideen und viele gute Leute hervorbringt?

Prinzing: Definitiv! Und wir haben auch gar keine andere Wahl. Denn keine Demokratie kann funktionieren ohne Diskurs über Politik und das politische System.||

Die Fragen stellte Carmen Molitor.
Im gedruckten JOURNAL erschien eine kürzere Fassung des Interviews.


Ein Beitrag aus JOURNAL 6/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2021.