DJV im Betrieb | 

Wählen gehen!

Starke Betriebsräte für große und kleine Medienhäuser
20. Dezember 2021, Kristian van Bentem

Wenn im Frühjahr 2022 in den meisten Verlagen, aber auch bei vielen Lokalradios und beim Privatfernsehen neue Betriebsräte gewählt werden, dann liegen vier ereignisreiche Jahre hinter ihnen. Vor allem die Coronapandemie hat Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitervertretungen vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Oft sind es DJV-Mitglieder, die dort den Vorsitz haben oder maßgeblich mitwirken und die sich 2022 erneut zur Wahl stellen, um sich für die Rechte und gute Arbeitsbedingungen ihrer Kolleginnen und Kollegen einzusetzen.

Der neue Faktor Kurzarbeit

Kurzarbeit? Darüber hatten Redaktionen bis vor zwei Jahren allenfalls geschrieben. „Nicht nur die Kolleginnen und Kollegen, sondern auch wir als Betriebsrat waren anfangs sehr verunsichert, als die Geschäftsleitung damit auf uns zukam“, berichtet Stefan Lenz, langjähriges BR-Mitglied bei der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft (RRG) in Köln. „Wir haben bei null angefangen und mussten uns selbst erst einmal dazu schlau machen.“

Letztlich konnte der BR mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung abschließen, die nicht nur zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Krise beitrug, sondern den Kolleginnen und Kollegen auch eine ausgehandelte Aufstockung des Kurzarbeitergelds durch den Arbeitgeber bescherte.

„Meine Arbeit als Betriebsrat ist plötzlich sehr von Corona bestimmt worden“, berichtet auch Christian Bannier, Vorsitzender des Ein-Mann-BR bei Radio Essen. „Wir haben das erste Mal Homeoffice gemacht.“ Früher sei das undenkbar gewesen. „Und plötzlich musste das praktisch von einem auf den anderen Tag gehen.“ Und es ging. „Anfangs bei vielen noch mit privater Ausstattung. Inzwischen sind dafür dienstliche Laptops angeschafft worden.“ Auch dank BR, der zudem ein Auge darauf hat, dass auch beim mobilen Arbeiten die Vorgaben des Arbeitsschutzes eingehalten werden. Für 2022 hat sich Bannier eine Betriebsvereinbarung dazu auf die To-do-Liste gesetzt.

Familie und Beruf vereinbaren

Die stand Ende November bei der Lippischen Landeszeitung in Ostwestfalen schon kurz vor dem Abschluss. „Neben dem Gesundheitsschutz geht es dabei auch um das Recht auf teilweises mobiles Arbeiten. Denn vielen hilft das, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren“, meint Jost Wolf, seit Ende 2013 BR-Vorsitzender. Er sieht hierin ein gutes Beispiel dafür, „wie man als Betriebsrat Arbeitsbedingungen mitbestimmen kann“.

Das will er auch in der nächsten Amtszeit. Aber auch Personalabbau und Umstrukturierungen waren in den letzten Jahren wieder ständiger Begleiter von Betriebsräten. Wie wichtig selbstbewusste, gut funktionierende Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitervertretungen sind, hat sich bei der WAZ gezeigt, als 2019 auch in der Redaktion zahlreiche betriebsbedingte Kündigungen drohten. „Am Ende konnten wir den Personalabbau zwar nicht verhindern, aber es gab dank guter Abfindungsregelungen keine einzige Kündigung“, berichtet Barbara Merten-Kemper, langjährige BR-Vorsitzende bei der WAZ. Ebenso hat der BR bei der grundlegenden Umgestaltung redaktioneller Strukturen und Arbeitsweisen hin zu einem Deskkonzept auch im Lokalen durch eine Betriebsvereinbarung die künftigen Arbeitsbedingungen mitbestimmt.

Im Betriebsrat engagiert (v.l.): Barbara Merten-Kemper (WAZ), Christian Bannier (Radio Essen), Stefan Lenz (RRG) und Bert Grickschat (RTL News). | Fots: Arne Pöhnert, T.Bonnemeier/Fotomanufaktur Bochum, Klaus Daub, privat
Im Betriebsrat engagiert (v.l.): Barbara Merten-Kemper (WAZ), Christian Bannier (Radio Essen), Stefan Lenz (RRG) und Bert Grickschat (RTL News). | Fots: Arne Pöhnert, T.Bonnemeier/Fotomanufaktur Bochum, Klaus Daub, privat

Arbeitszeit endlich dokumentieren

Dazu gehörte auch eine zunächst vorläufige „händische“ Arbeitszeiterfassung. Seit 2020 wird in einer vom BR angerufenen Einigungsstelle inzwischen um eine Betriebsvereinbarung zu einer elektronischen Zeiterfassung gerungen, die den Vorgaben des EuGH-Urteils genügen würde. „Wir hoffen, 2022 endlich damit starten zu können“, sagt Merten-Kemper. Eine Herausforderung, die in der kommenden Amtszeit wohl auf Betriebsräte aller Redaktionen und Medienhäuser zukommen wird, in denen die Arbeitsbelastung immer noch nicht transparent dokumentiert wird.

„Der Druck ist enorm. Alle sind am Limit“, weiß Bert Grickschat, Betriebsratsmitglied bei RTL-News mit Sitz in Köln, zu berichten. „Umso wichtiger ist eine klare Dienstplanung“, sagt er. Für ihn sei das eine der wichtigsten Mitbestimmungsangelegenheiten des BR auch für die kommende Amtszeit. „Immerhin können so auch mal Überstunden abgebaut und nicht nur für den Orbit gemacht werden“, erläutert er. Zur RTL-Tochter, die bis zum 1. April 2021 noch RTL InfoNetwork hieß, gehören seither auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ntv und RTL interactive (siehe zuletzt JOURNAL 4/21).

Was tut der DJV-NRW für Betriebsräte?
  • Beratung und praktische Hilfe: Mit dem DJV-NRW haben Betriebsräte einen ständigen und verlässlichen Ansprechpartner an ihrer Seite. Er unterstützt zum Beispiel beim Erstellen von Betriebsvereinbarungen sowie bei der Durchsetzung von Rechten des Betriebsrats und berät individuell oder durch Newsletter in allen rechtlichen Fragen. Hilfe gibt es auch, wenn erstmals ein Betriebsrat gewählt werden soll oder wenn der Arbeitgeber die Arbeit von Betriebsräten zu behindern versucht. Vertreter des DJV-NRW kommen zudem zu Betriebsversammlungen oder laden selbst zu Mitgliederversammlungen und Infoveranstaltungen vor Ort ein, um zum Beispiel bei drohendem Personalabbau oder Tarifflucht zu beraten – oder wenn es zurück in den Tarif gehen soll.
  • Rechtsschutz: Wenn Betriebsräte individualrechtliche Streitigkeiten mit ihrem Arbeitgeber haben, kann der Rechtsschutz wichtig und hilfreich sein.
  • Vernetzung: Der Fachausschuss Betriebs- und Personalräte des DJV-NRW, dessen Mitglieder alle zwei Jahre gewählt werden (das nächste Mal am 7. Mai 2022), ermöglicht es Betriebsräten, sich regelmäßig auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen.
  • Schulungen: Der DJV-NRW macht Betriebsräte rechtlich und praktisch fit in allen Angelegenheiten. Zuletzt gab es zum Beispiel Schulungen zum aktuellen Thema „mobiles Arbeiten“./KvB

Ansprechpartner in der Geschäftsstelle des DJV-NRW:
Christian Weihe, christian.weihe@djv-nrw.de, Tel. 02 11/2 33 99-0./KvB

Wichtige Regelungen für alle

„Zum Glück konnten wir durch eine umfangreiche Gesamtbetriebsvereinbarung erreichen, dass die Kolleginnen und Kollegen bei uns nun auch von Regelungen wie Wochenendantrittsgeldern und Nachtarbeitszuschlägen profitieren, die wir schon in der vorherigen Amtszeit als Betriebsrat aus den uralten Tarifzeiten bei RTL durch Betriebsvereinbarungen zurückgeholt haben“, erzählt Grickschat.

Dass der Weg raus aus dem Tarif übrigens keine Einbahnstraße sein muss, zeigt das Beispiel der RRG. Seit 2019 ist sie zurück im Tarif, nachdem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies zusammen mit den Gewerkschaften erkämpft haben. „Zum Glück, denn es gibt so vieles, über das wir mit dem Arbeitgeber als Betriebsrat nun nicht mehr diskutieren müssen, wie zum Beispiel die Lohnaufstockung bei längerer Krankheit. Unsere Arbeit vereinfacht das deutlich“, meint Stefan Lenz, der im Frühjahr wieder bei der BR-Wahl kandidiert.

Ebenso wie Christian Bannier, der seine Motivation so beschreibt: „Gerade in unruhigen Zeiten ist es wichtig, dass nicht alles über die Köpfe der Beschäftigten hinweg entschieden wird.“ Starke Betriebsräte machen das möglich.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 6/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2021.