MEDIENSZENE NRW |

Westfalen-Blatt verliert eigenständigen Mantel

Auf die gemeinsame Holding mit Aschendorff folgt die „vertiefte“ Zusammenarbeit
18. Oktober 2019, Christian Schlichter

Wenn es nach den Verlegern in Münster und Bielefeld geht, dann steckt hinter dem neuesten Deal die Zukunft. Die soll durch die künftig stärkere Zusammenarbeit gesichert werden. In der offiziellen Mitteilung liest sich das wenig bedrohlich: „Das Westfalen-Blatt vertieft die Zusammenarbeit mit seinem Schwesterunternehmen Aschendorff Medien aus Münster und wird künftig Teile des Mantels seiner Tageszeitungen nicht mehr selbst produzieren.“ Um das zu schaffen, sollen insgesamt zehn der geschätzt rund 85 Redakteurinnen und Redakteure des Hauses gehen – möglichst über Vorruhestandsregelungen.

Wenn es nach dem DJV in Ostwestfalen und in NRW geht, ist aber genau das ein weiterer Schritt, der dem Westfalen-Blatt (WB) die Selbstständigkeit nimmt. Die steht auf wackligen Füßen, seit die Unternehmensgruppe Aschendorff und die Bielefelder Busse-Holding als Inhaber des WB eine gemeinsame Medienholding gegründet hatten, die von Aschendorff dominiert wird (siehe JOURNAL 1/19). Daneben übernimmt das Westfalen-Blatt seit dem Frühjahr bereits im Tausch Lokalsport-Seiten vom örtlichen Wettbewerber Neue Westfälische.

Ganze Mantelseiten aus Münster

Jetzt geht es also an den Mantel. Der soll im besten Fall mit einer verbleibenden Rumpfmannschaft produziert oder im schlechtesten Falle zusammengemixt werden. „Einzelne Mantelseiten werden ab dem 1. Dezember 2019 von der Zentralredaktion der Aschendorff Medien aus Münster bezogen“, äußert sich dazu der Bielefelder Chefredakteur André Best. Im Klartext: Ganze Seiten kommen künftig aus Münster und werden nicht mehr in Bielefeld erstellt.

Nun scheint es in der NRW-Medienlandschaft fast schon normal zu sein, dass es immer weniger eigenständige Zeitungsmäntel gibt. Doch lässt der nächste Satz in der Mitteilung aus Bielefeld aufhorchen. So schreibt Best in der schriftlichen Antwort auf die Fragen des JOURNALs: „Beim Westfalen-Blatt bleibt auch zukünftig eine eigene Mantelredaktion, die weiter die ge- samte regionale Berichterstattung übernimmt.“

Sorgen um die bevorstehenden „Kompromisse“ und die Medienvielfalt in OWL macht sich Norma Langohr, Vorsitzende des DJV OWL.
Sorgen um die bevorstehenden „Kompromisse“ und die Medienvielfalt in OWL macht sich Norma Langohr, Vorsitzende des DJV OWL.

Angesichts fehlender weiterer Aussagen lässt das Spielraum für die Interpretation, dass beim Westfalen-Blatt künftig nur noch regional gearbeitet wird und dass alles Überregionale aus Münster kommen könnte. Norma Langohr, Vorsitzende des örtlichen DJV-Pressevereins, ist darüber zumindest erschrocken. „Mich enttäuscht die Entscheidung, denn sie führt dazu, dass die Zeitungslandschaft in OWL ärmer wird und die Vielfalt schwindet“, kommentiert sie. Das Westfalen-Blatt verliere durch die Politik der Verlagsleitung zunehmend das eigene Gesicht. „Dass dies zur Konsolidierung der Zeitung führt, bezweifle ich.“

Zudem fragt sich Norma Langohr, wie die bevorstehenden „Kompromisse“ in Sachen Zuschläge, Arbeitszeit oder freiwillige Verlagsleistungen aussehen werden – auch mit Blick auf das im September ergangene Arbeitsgerichtsurteil gegen Aschendorff. „Die Vertiefung der Zusammenarbeit mit einem Verlag, dem ein Gericht untersagen muss, Druck auf die Belegschaft und den Betriebsrat auszuüben, lässt mich für die Kolleginnen und Kollegen des WB nicht gerade zuversichtlich in die Zukunft schauen“, sagt Langohr. Sie fordert die Geschäftsleitung in Bielefeld auf, verantwortungsvoll zu handeln und sowohl ihrer gesellschaftlichen Aufgabe als Medienunternehmen als auch ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nachzukommen.

Mehr Kraft für regionale Themen?

Gar nicht so dramatisch sieht das auf Nachfrage Ulrich Windolph, der zweite Chefredakteur des Westfalen-Blatts. Bielefeld gewinne durch die Zusammenarbeit, lässt sich aus seiner Antwort auf die Frage lesen, wie viele Stellen die Mantelredaktion noch hat, wenn aus ihr zehn Redakteure abgezogen würden. Zu Zahlen über die Besetzung einzelner Redaktionsbereiche äußere sich sein Haus grundsätzlich nicht. Es sei aber davon auszugehen, dass die Leistungsfähigkeit der Mantelredaktion in Bielefeld durch die angekündigte Seitenbelieferung keineswegs geschmälert, sondern eher steigen werde, lautet seine Einschätzung. Denn über die Seitenbelieferung profitiere das WB erheblich von der „Schlagkraft der gesamten Nachrichtenredaktion der Aschendorff Medien“. Diese Dienstleistung mache es möglich, dass sich die Mantelredaktion in Bielefeld voll und ganz auf die regionalen Themen konzentrieren könne, erklärt Windolph. „Geschichten aus und über Ostwestfalen-Lippe werden die Nachrichtenseiten des Westfalen-Blatts auch zukünftig prägen.“ Die hohen Standards, die man in den vergangenen Jahren dabei erlangt habe, gelte es in der neuen Struktur zu verteidigen und sogar noch auszubauen.

Es geht ums Sparen

Der Grund für die Umstrukturierung wurde spätestens nach einer Betriebsversammlung Anfang September klar, bei der die Verlagsspitze die Pläne vorgestellt hatte. Es gehe darum, deutlich zu sparen. Das sei dem Mehrheitsaktionär Aschendorff sogar Investitionen in die Frühverrentung einzelner Mitarbeiter wert, hieß es dort fast generös, wie Beschäftigte nach der Versammlung berichteten. Die Geschäftsleitung habe erhebliche Rückgänge bei Umsätzen, gestiegene Kosten bei Zustellung und Produktion sowie Verwaltung und eine teure Redaktion als Gründe angeführt, warum die Streichung von Stellen notwendig sei.

In den Wochen nach der Betriebsversammlung Anfang September wurden die Maßnahmen bereits klar in Zahlen gefasst: Im gesamten Unternehmen fielen 24 Stellen weg, wurde dort angekündigt. Geplant sei eine straffere Verwaltung sowie die Aufgabe von Geschäftsstellen. In den alteingesessenen Geschäftsstellen der angegliederten Zeitungshäuser in der Region Hochstift in Paderborn und Büren beispielsweise reichen die Umsätze nach Angaben von Mitarbeitern aus dem kaufmännischen Bereich wohl lange schon nicht mehr. Diese Geschäftsstellen sollen deshalb zeitnah geschlossen werden. Das Controlling in Bielefeld solle aufgelöst und nach Münster verlagert werden.

Noch keine Details zur Umsetzung

Durch die externe Produktion von Mantelseiten in Münster stehen die erwähnten zehn Redakteursstellen auf der Streichliste. Neue Azubis oder Volontäre, das erfuhren die Beschäftigten zudem bei der Betriebsversammlung, wird es vorerst nicht geben. Der für Anfang Oktober geplante Arbeitsbeginn eines Volontärs in Bielefeld sollte deshalb auch möglicherweise sofort nach Münster verschoben werden, hieß es dazu.

Darüber hinaus gab es Ende September wenig Konkretes. Weil definitive Aussagen zur genauen Umsetzung der Vorhaben noch fehlten, möchte sich der WB-Betriebsrat mit Kommentaren zu den Auswirkungen in Bielefeld noch zurückhalten. Man wolle erst einmal abwarten, was komme, sagt WB-Betriebsratsvorsitzende Karin Deppe, um den „Ball erstmal flach zu halten“. Dass der DJV-NRW bereits am Tag der Bekanntgabe der Kooperation mit den Westfälischen Nachrichten eine Stellungnahme dazu veröffentlicht habe, hielt sie „nicht unbedingt für hilfreich“. Der DJV-Landesverband hatte in einer kurzen Mitteilung auf den drohenden Verlust an Meinungsvielfalt und an journalistischen Arbeitsplätzen hingewiesen.

Was die jetzige Entwicklung darüber hinaus für den bislang noch bestens ausgestatteten Zeitungsmarkt in Ostwestfalen zu bedeuten hat, ist noch nicht absehbar. Zu befürchten ist, dass das Westfalen-Blatt über kurz oder lang seine Stimme als selbstständige Zeitung verliert. Das haben zumindest bereits Vertreter aus Politik und großen Organisationen geäußert. Sie betrachten die Entwicklungen beim WB ebenfalls mit Sorge.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 5/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2019.