Auf dem Verbandstag bestimmte der DJV in mehrfacher Hinsicht seine Position. | Foto: Frank Sonnenberg
Auf dem Verbandstag bestimmte der DJV in mehrfacher Hinsicht seine Position. | Foto: Frank Sonnenberg
 
VERBANDSTAG

Positionsbestimmung

Der Verbandstag 2018 tagte Anfang November in Dresden
19. Dezember 2018, Sascha Fobbe

Wichtige Themen und Entscheidungen, hochkarätige Gäste, der Wille, sich neu aufzustellen, aber auch einmal mehr zu wenig Zeit, so dass einige innerverbandliche Anträge an den Gesamtvorstand überwiesen werden mussten: Der Verbandstag 2018 vom 4. bis 5. November in Dresden war arbeitsintensiv und wegweisend.

„Dieser Verbandstag wird seit zwei Jahren geplant, aber dass wir uns heute in Dresden treffen, passt wie die Faust aufs Auge“, sagte Ine Dippmann, Vorsitzende des Landesverbands Sachsen in ihrer Begrüßungsrede. Gerichtet an die AfD, die Journalistinnen und Journalisten von der Berichterstattung ausschließt, erklärte sie: „Pressefreiheit heißt nicht, dass man sich von der Presse frei machen kann, liebe AfD!“
Die Landesvorsitzende sprach auch über den Umgang der Polizei mit Journalisten. Sie bezog sich dabei auf eine Reihe von Vorfällen in Sachsen. Darunter die Demonstration im August in Dresden, bei der Polizisten ein ZDF-Team mit ihrer langwierigen Überprüfung am Drehen hinderte. An der Arbeit gehindert wurden Journalistinnen und Journalisten erneut Anfang November bei der Berichterstattung über das Neonazi-Festival in Ostritz. Mit Sachsen verbunden ist auch die Diskussion im September, ob Medien nach einer Demonstration in Chemnitz zu Recht über Hetzjagden gegen Ausländer berichteten. Aufgeworfen hatte die Frage der inzwischen abgelöste Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert warb in seiner Rede dafür, Sachsen nicht nur mit Pegida und Fremdenfeindlichkeit zu verbinden. Er bedauerte, dass Journalismus auf Populismus anspringe, statt auch über andere Themen zu berichten. Sein Standpunkt sei klar, bekräftigte Hilbert: „Meinungsfreiheit ist nicht verhandelbar, genau wie Asylrecht.“ Insgesamt bezog der Oberbürgermeister aber kaum Stellung gegen Rechts und zum Umgang staatlicher Stellen mit den Medien.

Schwerpunkt Pressefreiheit

Pressefreiheit und der Umgang der Polizei mit Journalistinnen und Journalisten waren auch Schwerpunkt bei zwei weiteren Gästen: Zum Bunten Abend hatte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer angekündigt, zum zweiten Tag Landespolizeipräsident Jürgen Georgie. Dass beide sich offen der Diskussion stellten, kam bei den Delegierten gut an. Der Schutz der Pressefreiheit sei auch eine Aufgabe des Staates, konstatierte Kretschmer und nannte es inakzeptabel, wenn Journalisten nur mit Personenschutz über Demonstrationen berichten könnten. Gleichwohl blieb er dabei, dass die Polizisten im August bei der Demo in Dresden als einzige „ruhig und besonnen“ reagiert hätten (und relativierte damit zumindest das zuerst verwendete Wort „seriös“). Es sei in Ordnung gewesen, das Weiterdrehen zu unterbinden. Allerdings: Die Polizei solle stärker für Pressefreiheit und den notwendigen Schutz von Journalisten sensibilisiert werden.

Das sagte auch Polizeipräsident Georgie in seinem Gespräch mit Ine Dippmann am nächsten Tag zu und bat den DJV ausdrücklich, die Aus- und Weiterbildung der Polizisten in diesem Bereich zu unterstützen. Georgie wies den Vorwurf zurück, dass sich die Polizei instrumentalisieren lasse. Wenn ein Demonstrant Anzeige gegen Journalisten erstatte, müsse die Polizei dem nachgehen. Und die Fälle, in denen nicht die „Lügenpresse“ rufenden Demonstranten des Platzes verwiesen wurden, sondern die Medienschaffenden? Oder in denen Polizeikräfte Journalistinnen und Journalisten schikanös behandelten oder bei Angriffen durch Demonstranten wegsahen? Georgie: „Ich bedaure das ausdrücklich, kann das aber nicht mehr heilen.“ Er warb für mehr Vertrauen in die Arbeit der jeweils anderen Seite und schloss mit: „Eigentlich ist in Deutschland Pressefreiheit selbstverständlich.“ Nicht nur eigentlich.

Zu diesem Themenkomplex passten mehrere Anträge, davon einer aus NRW, die die Delegierten im weiteren Verlauf des Verbandstags diskutierten. Im Ergebnis fordert der DJV die Innenminister der Länder auf, sicherzustellen, dass Journalisten ihre Arbeit frei und sicher ausüben können. Sie sollen auch dafür sorgen, dass Polizeikräfte die Rechte der Journalistinnen und Journalisten kennen. Zudem soll der Presseausweis bekannter gemacht werden.

Über Pressefreiheit sprach auch der Bundesvorsitzende Frank Überall: „Angriffe auf Medienvertreter sind auch immer Angriffe auf die Pressefreiheit!“ Die Absage an Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sei ein Grundprinzip für die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten, das besage schon das Grundsatzprogramm des DJV. Und: „Wer die Axt an die Pressefreiheit legt, hat bei uns nichts zu suchen.“

Dresdner Erklärung verabschiedet

Damit schlug Überall den Bogen zu einem der wichtigsten Themen auf diesem Verbandstag: der Dresdner Erklärung, die der Bundesvorstand zur Abstimmung vorgelegt hatte. Allerdings enthielt sie in der ursprünglichen Formulierung einen strittigen Punkt, der schon im Vorfeld für ausführliche Diskussionen unter den NRW-Delegierten gesorgt hatte: Kann der DJV wirklich Journalisten ausschließen, die Mitglied bestimmter Parteien sind? Und wie wäre das überhaupt zu kontrollieren?

Was sonst geschah

• Statistik: Der Verbandstag hatte sich in den letzten Jahren vorgenommen, jünger und weiblicher zu werden.
Unter den knapp 240 anwesenden Delegierten waren 44,6 Prozent weiblich. Die höchste Quote konnte Sachsen mit 88 Prozent vorweisen. In der NRW-Delegation lag der Frauenanteil bei 32,5 Prozent.
Nur 17,5 Prozent der NRW-Delegierten waren jünger als 40. Insgesamt lag die U40-Quote bei 13,4 Prozent. Bei den Landesverbänden Saarland und Sachsen war die Hälfte der Delegierten jünger als 40.

• Presserat: Der Verbandstag wählte sieben Kolleginnen und Kollegen in den Presserat: Dr. Klaus Andrießen (Hessen), Ralph Bauer (Bayern), Maria Ebert (Baden-Württemberg), Johannes Endres (Niedersachsen), Sergej Lochthofen (Thüringen), Dr. Jost Müller-Neuhof (Journalisten-Verband Berlin-Brandenburg), Heike Rost (Rheinland-Pfalz). Aus NRW stand niemand zur Wahl.

Nach ausführlicher Diskussion und mehreren Änderungsanträgen verabschiedeten die Delegierten die Resolution mehrheitlich in der Fassung, die der DJV-NRW und der Bundesvorstand gemeinsam eingebracht hatten. Kern der Dresdner Erklärung: Journalistinnen und Journalisten treten aktiv für die Demokratie und ihre Grundwerte ein. „Die Mitgliedschaft im DJV und Positionen, die die freie, ungehinderte Ausübung des Journalistenberufs einschränken wollen, sind nicht miteinander vereinbar.“ Mit dieser Resolution hat der DJV ein starkes Signal zu seiner Positionsbestimmung gesetzt.

In seiner Rede blickte Frank Überall auch auf die Zukunft, erwähnte die Geschäftsstelle, die „mittelfristig nach Berlin“ gehöre, und die nun endlich anstehende Fusion der beiden Berliner Verbände. Er freue sich auf die Zeit mit einem starken Landesverband in der Bundeshauptstadt. Mehrere Landesverbände arbeiteten gerade an einem tragfähigen Konzept zur Zukunft des DJV, erklärte Überall und warb dafür, dass die Mitglieder sich an der Diskussion über die Zukunft des DJV beteiligten.

Oscar Vitlif, jüngster NRW-Delegierter, wurde in Dresden frisch in den Bundesfachausschuss Zukunft entsandt. | Foto: Frank Sonnenberg
Oscar Vitlif, jüngster NRW-Delegierter, wurde in Dresden frisch in den Bundesfachausschuss Zukunft entsandt. | Foto: Frank Sonnenberg

Ideenpapier zum „neuen DJV“

„Zukunftsfähiger DJV“ hieß denn auch ein Antrag des Bundesvorstands, der allerdings mehr den Ist-Zustand beschrieb. Einen ganz anderen Ansatz wagt dagegen das Ideenpapier „Der neue DJV“, das der Fachausschuss Zukunft den Delegierten zu Beginn des Verbandstags auf die Tische legte. Die Kernthese: Der DJV sei zu kompliziert, er müsse einfacher werden. Dazu solle der Verband seine Kräfte bündeln und zentralistischer werden. Die Landesverbände sollen durch eine kleinere Anzahl regionaler Einheiten ersetzt werden. So könne der DJV zum Beispiel größere Veranstaltungen durchführen. Weitere wichtige Punkte: einheitliche Mitgliedsbeiträge mit einem einzigen Beitrittsformular sowie eine neue, breitere Definition, wer Mitglied werden könne.

Bloß nichts zerreden!

Der Fachausschuss forderte die Delegierten auf, mit ihnen über diese Ideen zu sprechen (siehe auch Interview mit Maurizio Gemmer: „Der neue DJV“). Nach seiner Vorstellung soll es eine Zukunftswerkstatt mit Mitgliedern von der Basis geben, um herauszufinden, wie sie sich den DJV der Zukunft vorstellen, erläuterte FA-Mitglied Jana Mundus und forderte: „Wir wollen keine gefühlte 50. Strukturkommission.“ Die Befürchtung: Die Gremien zerredeten die Ideen, und letztlich werde nichts umgesetzt.

Dieses Zerreden sei in der Vergangenheit zu oft passiert, bedauerte Jörg Prostka aus NRW, Mitglied in einer früheren Strukturkommission, und schlüpfte für diesen Wortbeitrag aus seiner Rolle des Tagungspräsidenten in die des einfachen Delegierten. Der NRW-Landesvorsitzende Frank Stach nannte das Papier „extrem wichtig“, auch wenn einige Punkte schwierig seien. Er lud den Fachausschuss Zukunft nach NRW ein, um die Thesen gemeinsam zu diskutieren. Die Delegierten stimmten schließlich für eine Zukunftswerkstatt im kommenden Jahr. Sollte das finanziell nicht möglich sein, soll es Workshops geben.

Knappe Finanzen waren auch Thema im Bericht der Schatzmeisterin Katrin Kroemer. Sie musste erstmals ein Minus im Haushalt vertreten, auch weil zwei Mitarbeiter der Bundesgeschäftstelle in Altersteilzeit gehen. Der Bund brauche mehr Geld von den Landesverbänden, die letzte Erhöhung habe es vor 17 Jahren gegeben. Diskutiert wurden am Etat vor allem die Kosten für den kommenden Verbandstag in Berlin, bei dem der 70. Geburtstag des DJV im Roten Rathaus gefeiert werden soll. Das dafür eingeplante Geld diene der Sicherheit, betonten Kroemer und Überall: Man habe fest vor, deutlich weniger auszugeben. Der Etat wurde schließlich verabschiedet – inklusive der erhöhten Abführung der Landesverbände an den Bund.

Vorstandstisch mit Schatzmeisterin Katrin Kroemer (l.), hinten am Mikrofon Bert Grickschat aus NRW. | Foto: Frank sonnenberg
Vorstandstisch mit Schatzmeisterin Katrin Kroemer (l.), hinten am Mikrofon Bert Grickschat aus NRW. | Foto: Frank Sonnenberg

Lebhafte Diskussion zu #MeToo

Ähnlich lebhaft, aber unter ganz anderen Vorzeichen, verlief die Diskussion über zwei Anträge zur #MeToo-Debatte. Nach den Vorgängen beim WDR, der Frauen nicht ausreichend vor Belästigung geschützt hatte, warb der DJV-NRW in seinem Antrag für eine Kampagne zur freiwilligen Selbstverpflichtung bzw. für ein „Frei und fair“-Siegel in den Redaktionen. Die Zielsetzung teilten die Delegierten wohl weitgehend, den Weg fanden sie eher nicht zielführend. Ein zweiter Antrag aus Hessen schlug vor, beim DJV zum Thema #MeToo eine Anlauf- und Ombudsstelle für Journalistinnen und Journalisten einzurichten. Aber sollte diese Beratung nicht einerseits eher wohnortnah stattfinden, also bei den Landesverbänden? Aber wer könnte dies überhaupt ohne zusätzliche Ausbildung leisten?

Deutlich wurde in der Diskussion, dass der DJV sich mit dem Thema #MeToo auseinandersetzen will, dass aber zunächst Konzepte dafür entwickelt und Fianzierungsvorschläge gemacht werden müssen. Der Verbandstag überwies den NRW-Antrag an die Kommission Chancengleichheit und Diversity, den der Hessen zur Prüfung an den Bundesgesamtvorstand.

Angenommen wurden zwei weitere Anträge aus NRW: So setzt sich der Bundesverband für verlässliche Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten in Produktionsfirmen ein und schafft Öffentlichkeit für die oft prekären Arbeitsverhältnisse dort. Dabei geht es um niedrige Löhne, Kettenbefristungen und ungeregelte Arbeitszeiten. Zudem verabschiedeten die Delegierten einen Antrag zu automatisiert erstellten redaktionellen Medieninhalten: Der DJV wird sich dafür stark machen, dass diese einer Kennzeichnungspflicht unterliegen und dass das Thema auch im Pressekodex verankert wird.

Gegen Kettenbefristungen

Andere wichtige Anträge betrafen unter anderem die internationale Arbeit des DJV, die Tarifarbeit und ebenfalls das Thema Kettenbefristungen sowie die Forderung nach Vielfalt in den Redaktionen. In einem Dringlichkeitsantrag apellierte der Verbandstag an die Ministerpräsidenten der Länder, „den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Wahrung der Vielfalt der in der Gesellschaft verfügbaren Informationen, Erfahrungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster und der Programmautonomie der Rundfunkanstalten festzulegen“.

Aus Zeitmangel wurden die meisten innerverbandlichen Anträge an den Gesamtvorstand als höchstes Gremium zwischen den Verbandstagen verwiesen. In ihnen ging es unter anderem um die Möglichkeit, die Mitgliedschaft online zu beantragen und um die Aktualisierung des Berufsbilds. Besonders das zweite Thema hätte Diskussionsstoff geboten, wie die Delegiertenversammlung im Oktober gezeigt hatte. Bei der Definition gibt es vieles abzuwägen: Einerseits scheint die tradierte Unterteilung nach Übertragungskanälen so wenig zeitgemäß wie das Festhalten an alten Berufsbezeichnungen. Nähme man andererseits den aktuellen Entwicklungsstand als Grundlage, müsste das Berufsbild quasi jährlich aktualisiert werden. Nicht zuletzt hat sich das jetzige Berufsbild als Maßstab bewährt, der auch in der Wissenschaft anerkannt ist.

Besonders ärgerlich fanden viele Delegierte die Überweisung der Anträge, weil es am Ende des ersten Sitzungstags durchaus Zeit gegeben hätte, einige unstrittige Anträge nach vorne zu ziehen. stattdessen hatte das Präsidium den Verbandstag 45 Minuten vor dem geplanten Ende unterbrochen.

Zwei Tage sind also knapp für einen Verbandstag, vor allem wenn es mehrere Gäste gibt. Im kommenden Jahr dauert der Verbandstag wieder drei Tage, wie immer in den Jahren mit Vorstandswahlen. Dann feiert der DJV in Berlin seinen 70. Geburtstag und kann hoffentlich auf die ersten Ergebnisse im Diskussionsprozess um die Erneuerung schauen.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 6/18 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2018.